12 Stunden Angst
etwas brauchst, junger Mann«, sagte sie.
Grant nickte und hielt den Blick auf den Fernseher gerichtet, sodass Mrs. Elfman nicht sehen konnte, wie sehr er sich sorgte.
»Sie ist ziemlich nervig, was?«, sagte der weibliche Deputy, nachdem Mrs. Elfman gegangen war.
Grant blickte überrascht auf und musterte seinen Babysitter. Der weibliche Deputy hieß mit Vornamen Sandra. Sie war jünger als Grants Mom, allerdings nicht viel. Sie schien freundlich und aufrichtig zu sein und ihm nichts vorzumachen. Als Grant wieder auf den Bildschirm schaute, spürte er ihre warme Hand auf seiner.
»Ich weiß, dass du große Angst hast«, sagte sie. »Aber es kommt alles wieder in Ordnung. Sie holen alle sicher und wohlbehalten da raus, du wirst schon sehen. Deine Mom, deine Schwester und auch deinen Dad.«
Grants Augen füllten sich mit Tränen. Deputy Sandra schien zu glauben, was sie sagte, doch Grant war nicht so sicher. Ganz und gar nicht. Und genau in diesem Augenblick beschloss er, nicht tatenlos herumzusitzen und zuzusehen, was passierte. Er musste selbst handeln. Vielleicht konnte er irgendetwas tun, irgendwie helfen. Seit er neun Jahre alt geworden war, hatte seine Mom sich mehr und mehr auf ihn gestützt und ihm kleinere Arbeiten übertragen. Er war fast so stark wie sie, und er konnte bereits schneller rennen.
»Ich muss mal«, sagte er und hielt sich den Magen, als hätte er Krämpfe.
»Ich frage Mrs. Elfman, wo du hin kannst«, sagte Deputy Sandra und wollte aufstehen.
»Nicht nötig, ich weiß, wo es ist.« Grant erhob sich und verließ das Zimmer. In Gedanken war er bereits im Garten derElfmans und unten am Wildbach, wo kein Deputy und kein Sheriff ihn sehen konnte.
Sandra folgte ihm bis vor die Tür, von wo sie beobachten konnte, wie er ins Bad ging. Sie lächelte aufmunternd, wie seine Mutter es zu tun pflegte, wenn er krank war, und Grant spürte, dass sie irgendwie seine Gedanken lesen konnte, wie auch seine Mom es manchmal tat.
Das war okay.
Mrs. Elfmans Bad hatte ein Fenster.
Deputy Willie Jones hatte die Nase voll vom Dienst an der Straßensperre. Ständig erschienen neue Schaulustige; es wurden von Minute zu Minute mehr. Die Nachbarn kamen zu Fuß, die Leute aus der Stadt mit dem Auto. Jones hatte keine Ahnung, wie das Gerücht sich so schnell verbreiten konnte. Wahrscheinlich per Handy. Die Wagen zurückzuschicken war kein Problem; bei den Fußgängern war es viel schwieriger. Fünfzig Personen standen bereits auf der Cornwall Street, die meisten in kleinen Gruppen von fünf oder sechs Leuten. Einige hatten versucht, die Lyonesse hinaufzuspazieren, doch Deputy Jones hatte das im Keim erstickt. Sie hatten wirklich Nerven, diese Gaffer.
Einige Männer hatten ihn ausfragen wollen, doch er war so schweigsam geblieben wie einer von diesen Wachposten vor dem Buckingham Palace. Die Hälfte der Leute glaubte, dass Dr. Shields bereits seine ganze Familie ermordet habe; manche vermuteten, er habe die Nachbarn als Geiseln genommen. Doch nach allem, was Willie Jones wusste, war seit seinem Eintreffen vor Ort so gut wie nichts passiert.
Er hatte Agent Biegler genau im Auge behalten, so wie Ray Breen es ihm aufgetragen hatte. Biegler und die beiden anderen Männer in seiner Begleitung hatten die meiste Zeit ein Stück die Straße hinauf vor dem Kofferraum eines schwarzen Ford Crown Victoria gestanden und die Köpfe zusammengesteckt. Bis vor ein paar Minuten, als sie eingestiegen und in Richtung Stadt davongefahren waren, was Deputy Jones nur recht sein konnte.
Er überlegte, ob er Ray Breen anrufen und um Ablösung bitten sollte, als eine junge weiße Frau mit dunklen Haaren schnell in Richtung Straßensperre marschierte. Eine andere Frau in ihrem Alter bemühte sich vergeblich mitzuhalten. Willie wollte die Hände heben und sie stoppen, doch irgendetwas in ihren Augen hinderte ihn daran. Sie sah aus wie ein Mensch, der einen schweren Unfall auf der Autobahn miterlebt hatte – blass, erschüttert, mit Augen wie ein verwundetes Wild.
»Kann ich Ihnen helfen, Miss?«
Die Frau blickte nervös über die Schulter. »Ich hoffe es. Ich muss mit dem Sheriff reden.«
»Der Sheriff hat im Augenblick viel zu tun, Ma’am.«
»Ich weiß. Ich bin sicher, dass er mit mir reden wird.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Ich war in der Praxis. Als das Feuer ausgebrochen ist. In der Praxis von Dr. Shields, meine ich.«
Mit einem Mal war Willie Jones hellwach. »Sind Sie Patientin von Dr. Shields?«
»Nein, ich arbeite für
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