12 Stunden Angst
er redet. Er sagt, sie könne nicht von ihm schwanger geworden sein. Du liebe Güte … in fünf Minuten spielt das keine Rolle mehr.«
Danny schloss die Augen, während er verzweifelt versuchte, sich zum Kern der Dinge vorzuarbeiten, die in seinem Leben geschehen waren.
»Scheiß drauf«, sagte Ellis unvermittelt, und seine seelsorgerische Rechtschaffenheit fiel von ihm ab. »Bringen Sie uns hoch, Danny!«
Danny betätigte die Blattverstellung, und der Helikopter schwebte in den nächtlichen Himmel. Sekunden später lag das Haus der Shields mit seinen hell erleuchteten Fenstern tief unter ihm, wie die Luftaufnahme eines perfekten Vorstadtheims. Wie in einem Film von Steven Spielberg.
»Hier Black Leader«, sagte Ellis ins Mikrofon. »Die TRU wird sich auf mein Kommando gewaltsam Zutritt verschaffen. Bestätigen Sie.«
Danny umklammerte die Kontrollen so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten.
»Black One, in Position.«
»Black Two, in Position.«
Ellis zeigte nach unten auf den Vorgarten. »Gehen Sie dort tiefer, und richten Sie den Suchscheinwerfer auf das Haus. Locken Sie ihn an ein Fenster. Vielleicht kommt er alleine, dann jage ich nur die Türen hoch.«
Danny schüttelte den Kopf. »Sie können Ray nicht da reinschicken, Sheriff. Sie müssen Carl den Job erledigen lassen.«
»Wir haben keine Zeit mehr! Außerdem ist Carl immer noch auf der Rückseite des Hauses.«
»Dann schaffen Sie ihn nach vorn!«
»Es ist zu spät. Wir gehen rein. Shields lässt uns keine andere Wahl.«
»Black Six in Position.«
Danny sank auf fünfzig Meter und flog Linkskurven, während über Funk die restlichen Bestätigungen eintrafen. Das Pochen der Rotorblätter in dieser geringen Höhe musste sich für die Bewohner des Hauses anhören, als würde ein gigantischer Roboter auf das Dach hämmern.
Vielleicht ist es ja wirklich Warrens Kind, ging es Danny durch den Kopf. Doch der Sheriff hatte recht: Warren war Arzt, und er hatte vollkommen sicher geklungen, was seine Unfähigkeit anging, ein Kind zu zeugen. Dannys Gedanken kehrten zum Morgen zurück und zu der Elternsprechstunde, als Laurel ihm etwas hatte sagen wollen – und es sich im letzten Moment anders überlegt hatte, als die nächste Mutter an der Tür zum Klassenraum aufgetaucht war.
»Hier ist Black Six«, erklang es knackend im Headset. »Der Thermobildgeber zeigt Bewegung im vorderen Teil des Hauses. Ein schwaches Bild, aber es sieht so aus, als würde sich ein Erwachsener von der Pantry in Richtung Foyer bewegen.«
»Was macht er?«
»Kann ich nicht sagen. Es ist nur ein grüner Fleck. Wie ein Geist.«
»Halten Sie mich auf dem Laufenden. Carl, bereithalten. Falls Shields ins Wohnzimmer zurückkehrt, werden wir möglicherweise doch die hinteren Fenster hochjagen.«
»Verstanden. Ich behalte die Fenster im Auge, und mein Aufklärer sitzt vor dem Bildgeber. Ich bin feuerbereit.«
Danny blickte hinunter auf das Haus und wünschte sich den Röntgenblick wie die Helden aus den Comics seiner Jugend. Wo war Laurel? Was machte Warren? Würde er sie wirklich töten? Ja, antwortete eine Stimme in seinem Kopf. Ja, das würde er. Nicht, um sie zu töten, sondern das Kind in ihrem Leib. Es ist seine einzige Chance, sich an seinem unsichtbaren Feind zu rächen. Er wird Laurel in den Bauch schießen …
Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte Danny keine Ahnung, was er tun sollte.
Grant saß in der Pantry, die Lichter ausgeschaltet, genau wie sein Vater es ihm gesagt hatte. Er hatte eine einzige Aufgabe: den großen Sicherungshebel umzulegen, sobald er Schüsse hörte. Er wusste alles über diesen Hebel, weil Dad es ihm erklärt hatte, als während des Hurrikans Katrina der Strom ausgefallen war. Es war nicht schwierig. Grant hatte im Fernsehen zwanzig verschiedene Comicfiguren gesehen, die am gleichen Hebel gezogen und so das Licht ausgeschaltet hatten.
Grant hatte Angst um seine Eltern, doch er war froh, dass er eine Aufgabe hatte, und er wollte seinen Dad nicht noch einmal enttäuschen. Ganz egal, wie verrückt er sich aufführte. Weil sein Dad immer das Richtige tat. Das wusste er von seiner Mom. Sie hatte es ihm gesagt, mehr als einmal. Und jetzt war nicht der Zeitpunkt, daran zu zweifeln. Er war schließlich noch ein Kind.
Während er nach oben auf den großen Hebel starrte, den Rücken an die Wand gepresst, schob jemand leise das Pantry-Fenster auf. Grant zuckte erschrocken zusammen; dann verharrte er mucksmäuschenstill. Er war oft genug auf der
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