12 Stunden Angst
Warrens schattenhafter Gestalt und versuchte, seinen Blick auf ihr Gesicht zu lenken, während ihr Daumen über die Tasten huschte.
»Ich habe keine Affäre«, sagte sie und staunte, wie leicht ihr diese Lüge über die Lippen kam. »Und ich hatte auch keine. Das könnte ich den Kindern nicht antun.«
Warren klappte die Trommel des Revolvers heraus und ließ sie rotieren. »Das hätte ich auch nicht für möglich gehalten«, sagte er und klappte die Trommel wieder ein. »Aber der Brief beweist etwas anderes.«
»Der Brief ist Schwachsinn.« Endlich hatte Laurel das Handy im Textmodus. Sofort machte sie sich daran, eine Nachricht an Danny zu tippen, ohne dass ihr Blick auch nur für eine Sekunde von den Augen ihres Mannes wich. »Jemand hat ihn gefälscht, um dir eins auszuwischen.«
Zu ihrem Erstaunen schien Warren diese Möglichkeit tatsächlich in Erwägung zu ziehen. »Aber wer würde so einen Brief fälschen?«, fragte er, als redete er mit sich selbst.
»Jemand, der dich fertigmachen will. Und das gelingt ihm offensichtlich. Warren, wenn du noch einmal die Hand gegen mich erhebst, rufe ich die Polizei und gehe zu einem Scheidungsanwalt.«
Selbst in der Beinahe-Dunkelheit des Zimmers sah Laurel, wie seine Hals- und Kiefermuskeln sich spannten. Dannys Brief hatte Warren völlig verwandelt. Er war wie ein Fremder.
Mit einer winzigen Bewegung des Daumens drückte Laurel auf SENDEN, ehe sie die Hand aus der Tasche zog.
»Du wirst jetzt aufstehen«, sagte Warren. »Ich will dein Notebook sehen. Du kannst dich im Wohnzimmer aufs Sofa legen.«
Laurel betete, dass Danny ihre Nachricht bereits empfangen hatte. Sie hatte Kopf und Kragen riskiert, um die SMS abzuschicken, und es war mit Sicherheit nicht die Nachricht gewesen, die Danny erwartete. Doch tief im Innern glaubte sie immer noch, dass es ihr gelingen würde, Warren wieder zur Vernunft zu bringen – jedenfalls, solange ihr Notebook seine Geheimnisse für sich behielt.
Mein Gott, was für eine verrückte Vorstellung, dass der geachtete Warren Shields, M. D., die Mutter seiner Kinder erschießt.
Doch was er mit einem Mann machen würde, der ihm Hörner aufgesetzt und seine Frau geschwängert hatte, war eine ganz andere Frage.
»Steh endlich auf, du Sau! Hoch mit dem Arsch!«, brüllte Warren und trat gegen das Bett.
Laurel zitterte am ganzen Körper. Es waren die Gewalttätigkeit und die Obszönitäten, die ihr Angst machten. Das war etwas gänzlich Neues, Unbekanntes und Furchterregendes. Langsam erhob sie sich, schlang sich das Federbett um die Schultern und tappte hinaus in den Flur, der zur Küche führte.
Verschwinde, Danny, so schnell du kannst!, flehte sie im Stillen. Um Michaels willen, verschwinde aus der Stadt!
6
D anny McDavitt lag in einem Meer aus Klee und blickte zum Himmel, als sein Handy summte und den Eingang einer SMS meldete.
Er reagierte nicht sofort, denn das Summen löste Furcht in ihm aus. Laurel hatte sich bereits verspätet; wahrscheinlich teilte sie ihm jetzt mit, dass sie sich doch nicht mit ihm treffen wollte. Danny konnte es ihr nicht verdenken. Es war unfair von ihm gewesen, sie überhaupt zu fragen. Nichts hatte sich geändert anseiner ehelichen Situation, und er hasste sich selbst für die Schwäche, die er an diesem Morgen gezeigt hatte.
Danny tastete mit der Hand im tiefen Klee nach dem Handy, las die Nachricht aber immer noch nicht. Er wollte nicht, dass sein Traum jetzt schon zerplatzte. Einundzwanzig Jahre Militärdienst hatten ihn gelehrt, Gutes so lange zu genießen wie nur möglich, selbst wenn es sich um Wunschträume und Illusionen handelte. Danny hatte die Welt aus dem Cockpit eines Pave Low Helikopters gesehen, angefangen bei Anti-Drogen-Einsätzen vor den Bahamas 1982 (nicht die Art von Traum-Einsatz, nach der es sich vielleicht anhörte) bis hin zu militärischen Operationen mit dem futuristisch anmutenden Pave Low IV in Afghanistan, wo er Ende 2001 abgeschossen worden war, was ihm den vorzeitigen Ruhestand verschafft hatte. In den Jahren dazwischen war Danny weltweit Einsätze geflogen, wobei seine Missionen in Bosnien und Sierra Leone besonders hervorstachen. Helikopter aus Dannys Eliteeinheit, dem 20th Special Operations Wing, hatten den ersten Golfkrieg eröffnet, indem sie in stockdunkler Nacht die Wüste überflogen, die Luftverteidigung des Irak ausgeschaltet und damit den Weg freigemacht hatten für die Apache-Helikopter der U.S. Army. Danny erinnerte sich noch heute an den unvergleichlichen
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