12 Stunden Angst
Adrenalinstoß, den das Fliegen in kompakter Formation im ersten richtigen Krieg seit Vietnam (sein ganz persönliches Apocalypse Now) bei ihm ausgelöst hatte. Dannys Soundtrack – ziemlich enttäuschend im Nachhinein betrachtet – war Willie Nelsons On the Road Again gewesen, anstelle von Wagners Walkürenritt. Obwohl Desert Storm schneller vorbei gewesen war, als irgendjemand erwartet hatte, hatte es auch hinterher keinen Mangel an adrenalingeladenen Missionen gegeben. Doch sie alle verblassten angesichts dessen, was er in den höllischen Bergen von Afghanistan durchgemacht hatte – einem Land, das so zahlreich Krieger hervorbrachte wie die Vereinigten Staaten Anwälte.
»Hoffentlich hast du gute Nachrichten«, murmelte Danny, hob schließlich das Handy hoch und hielt es auf Armeslänge vonsich, damit er die winzigen Buchstaben auf dem Display lesen konnte. Dann drückte er auf ANZEIGEN. Laurels SMS erschien im Bruchteil einer Sekunde.
WARREN WEISS BESCHEID NIMM MICHAEL VERSCHWINDE AUS STADT SO SCHNELL DU KANNST KEINE HELDENTATEN
Danny stockte der Atem. Er las die Nachricht ein weiteres Mal, während er sich erhob und sich ausmalte, was wohl passiert war.
Ein Streit? Wahrscheinlich. Doch warum schrieb sie ihm, dass er verschwinden solle? Wähnte sie ihn in Gefahr? Schwer vorstellbar. Danny hatte Warren Shields vier Monate lang Flugstunden gegeben und ihn in dieser Zeit als stillen, beherrschten Mann kennen gelernt – genau das, was man sich bei einem Arzt wünschte, und erst recht bei einem Piloten. Die Vorstellung, Warren könne seiner Frau etwas antun, erschien absurd, und die Möglichkeit, dass er Danny zu Leibe rücken würde, schien noch viel weiter hergeholt.
Und doch … Danny hatte genügend Männer in Stresssituationen gesehen, um zu wissen, dass sie zu unberechenbaren Handlungen fähig waren. Er hatte Soldaten Dinge tun sehen, die ihnen niemand je geglaubt hätte – einige davon gut, die meisten schlimm.
Auf jeden Fall kam es nicht infrage, dass er Laurels Rat annahm. Wenn sie in Gefahr schwebte, würde er nicht Hals über Kopf abhauen. Die Frage war nur: Was konnte er tun, um ihr zu helfen? Wenn er sich als ihr Liebhaber zu erkennen gab, würde er mit großer Wahrscheinlichkeit genau das erreichen, was er zu vermeiden trachtete, indem er mit Starlette zusammenblieb: Er würde das Sorgerecht für Michael verlieren. Doch wenn Laurel wirklich in Gefahr schwebte …
Danny ging zu seinem Quad, ließ den Motor an und fuhr zurück auf die Piste, die zum Haus führte. Er brannte innerlich vor nervöser Energie. Laurels SMS hatte ihn schockiert, doch er fing sich rasch wieder. Er wusste, wie man sich schnell auf eine neue Situation einzustellen hatte. Unzählige Male war er von einemAlarm aus tiefem Schlaf gerissen worden, um in einen Kampfeinsatz zu fliegen oder Männer zu bergen, die mit zerfetzten Gliedmaßen oder heraushängenden Eingeweiden kaum noch eine Chance hatten. Dannys Fähigkeit, sich blitzschnell an neue Situationen anzupassen, war einer der Hauptgründe, warum er noch am Leben war.
Er fuhr das Quad in die Garage, stellte den Motor ab und sprang aus dem Sattel. Als Erstes musste er herausfinden, wo Laurel steckte. In der Schule? Zu Hause? In Warrens Praxis? Er wollte seine Wagenschlüssel aus der Küche ziehen, doch in der Tür hielt er inne. Danny fuhr einen 1969er Dodge Charger, den er selbst restauriert hatte. Warren kannte den Wagen gut; deshalb war er in dieser Situation nutzlos. Danny kletterte wieder auf das Quad und fuhr hinunter zu der Scheune, in der seine Gartenmaschinen standen. Er hatte einen alten Ford Pick-up erstanden, um Besorgungen in der Baumschule und im Eisenwarenladen zu erledigen und zusammen mit Michael über das Land zu fahren. Michael hatte den Pick-up in Dannys Schoß sitzend schon mehrere Male gesteuert – eine Erfahrung ähnlich einem Flug über Bagdad in einer schlimmen Nacht.
Danny parkte das Quad, sprang in den Wagen, setzte rückwärts aus der Scheune und fuhr quer über den Rasen zur Deerfield Road hinunter. Als er am Haus vorbeikam, überlegte er kurz, seine Neun-Millimeter aus dem Schlafzimmer zu holen, entschied sich dann aber dagegen. Das wäre völlig überzogen gewesen.
»Halt durch, Laurel«, murmelte er vor sich hin. »Ich komme.«
Laurel lag schweigend auf dem Wohnzimmersofa, die Daunendecke bis zum Hals hochgezogen. Warren saß auf dem Polsterschemel, den er zum Wohnzimmertisch gezogen hatte, und starrte auf Laurels Notebook, das
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