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12 Stunden Angst

12 Stunden Angst

Titel: 12 Stunden Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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sich erneut der Tastatur des Vaio zuwandte. »Überprüfen wir einfach mal deine hübsche kleine Geschichte, was meinst du?«
    Laurel überkam der beinahe unwiderstehliche Drang zu fliehen. Lediglich die Erinnerung daran, dass Warren mit dem Revolver auf sie geschossen hatte, hielt sie auf dem Sofa. Die Waffe lag wenige Zentimeter neben ihrem Notebook und Warrens rechter Hand.
    »Also, dann wollen wir mal sehen«, sagte er wie ein Rezeptionist, der nach einer Reservierung sucht. »Hier haben wir die Datei mit den gespeicherten E-Mails. Deine Datei ist 226 Megabytes groß.« Er blickte auf, und seine Augen leuchteten triumphierend. »Das dürften schätzungsweise fünfhundert E-Mails sein, plus einige freizügige Schnappschüsse, nicht wahr? Bekommen wir diesmal vielleicht deine privaten Pornos zu sehen?«
    Nicht ohne mein Passwort, erwiderte Laurel stumm, doch ihre Zuversicht war ins Wanken geraten. Warren trieb sie immer weiter in die Ecke.
    »Auf die Datei wurde vor zwei Tagen zum letzten Mal zugegriffen«, fuhr Warren fort. »Um zwanzig vor zwölf mittags. Du liest also Liebesbriefe in deinem Klassenraum. Habe ich der Schule deswegen Geld gespendet, damit sie dort ein W-LAN installieren können? Was haben deine armen Schüler in der Zeit gemacht, Miss Elizabeth? In meinen Augen sieht das aus wie Vernachlässigung.«
    Laurel starrte auf den Boden. Die gesamte Dynamik zwischen ihnen hatte sich verändert, aber das durfte sie nicht zugeben.
    »Ich nehme an, ich muss es alleine herausfinden«, sagte Warren fröhlich.
    Seine Finger huschten erneut über die Tastatur.
    Laurel ließ die Schultern hängen und suchte nach einer Möglichkeit, ihn aufzuhalten, doch ihr wollte nichts einfallen. Sie konnte den Bildschirm nicht sehen und wusste deshalb nicht, was er an ihrem Notebook machte. Sie war sicher, dass er mit ihrem Geburtstag anfangen würde, dann den Geburtstagen der Kinder, gefolgt von ihrer Sozialversicherungsnummer, bevor er es mit verschiedenen Variationen versuchen würde. Warren hatte immer schon gut Rätsel lösen können, und dieses Problem war ganz nach seinem Geschmack. Doch nach mehreren erfolglosen Versuchen, sich in ihr Konto einzuloggen, sprang er auf, eilte nach draußen und in sein Arbeitszimmer und kehrte einen Moment später mit ihrer Ausgabe von Stolz und Vorurteil zurück.
    »Ich hätte gleich daran denken und hiermit anfangen sollen«, sagte er. »Ich schätze, wir versuchen es zuerst mit ›Darcy‹, was meinst du?«
    Das Buch zu holen war ein kluger Einfall gewesen, doch es beunruhigte Laurel längst nicht so sehr, wie Warren vermutlich glaubte. Selbst mit ›Stolz und Vorurteil‹ bewaffnet würde er Hunderte von Stunden benötigen, um auch nur in die Nähe von FitzztiF zu gelangen, dem Passwort zu ihrem Konto. Sie hatte es durch Herumspielen mit der ersten Hälfte von Darcys Vornamen erzeugt, Fitzwilliam. Es war beinahe kindisch, doch die Chance, dass Warren zufällig diese Buchstabenfolge eintippte, war astronomisch gering.
    »Ich wünschte, ich hätte einen PET-Scanner, um die Windungen deines treulosen kleinen Gehirns lesen zu können«, sagte er mit unerwarteter Bitterkeit.
    Laurel tat so, als würde sie ihn ignorieren, doch innerlich jubelte sie. Das Passwort einer anderen Person zu erraten war ungefähr so spaßig – und schwierig –, wie die Kombination eines Zahlenschlosses zu knacken, indem man willkürlich am Einstellrad drehte.
    »Ich weiß, warum du das tust«, sagte er über den Bildschirm hinweg. »Mauern, meine ich. Er will dich nicht mehr. Darum ging es in diesem Brief. Er hat dich benutzt, und dann hat er dich fallen lassen.«
    Sie ließ sich keine Regung anmerken.
    »Wenn er mit dir hätte weglaufen wollen, wärst du längst gegangen, nicht wahr? Du hast bloß Angst, von Bord zu springen, ohne dass ein Rettungsboot darauf wartet, dich aufzufangen. Du bist feige. Das ist die hässliche Wahrheit hinter allem. Ich weiß wirklich nicht, was ich jemals an einer Schlampe wie dir gefunden habe.«
    Sie wusste, dass sie nicht nach dem Köder schnappen durfte, aber sie konnte nicht anders. »Wenn du so empfindest, warum interessiert es dich dann, ob ich mich mit einem anderen Mann treffe?«
    »Weil ich mit dir in einem Boot sitze. Weil ich meinen Eheschwur ernst nehme. Und weil mir das Wohlergehen unserer Kinder am Herzen liegt. Ich habe rein zufällig die innere Kraft, es auszuhalten und weiter zu versuchen, sogar mit einem Miststück, das nicht den Mumm hat, ohne ein goldenes

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