12 Stunden Angst
hatte sie in der Zeitung gelesen, dass zwei Menschen bei einem Unfall auf dem Highway 24 gestorben waren, als ihr Fahrzeug aus ungeklärten Gründen von der Straße abgekommen und gegen einen Baum geprallt sei. Der Highway Patrol zufolge gab es keine Zeugen und keine anderen Beteiligten. Das Paar war auf dem Nachhauseweg von der Beerdigung eines Enkels gewesen. An ihren Namen erkannte Laurel, dasssie Schwarze gewesen sein mussten. Nach dieser Nacht hatte sie Warren nie wieder mit den gleichen Augen gesehen wie zuvor, und zwei Wochen später hatte sie ihre Affäre mit Danny McDavitt begonnen. Danny, das wusste sie, hätte niemals jemanden im Stich gelassen, der schwer verletzt am Straßenrand lag. Er trug seine Orden ja nicht umsonst.
»Du weißt nicht die Hälfte von dem, was du zu wissen glaubst«, sagte Warren mit gespenstischer Gewissheit. »Du denkst, ich bin ein Feigling? Wegen dieser Nacht damals?«
»Ich will nie wieder an diese Nacht denken.«
Er nickte langsam. »Das ist ein Luxus, den du dir leisten kannst. Meinst du vielleicht, ich hätte keine Gründe, aus dieser Ehe auszusteigen?«
Sie zuckte die Schultern. »Wenn du welche hast, dann tu es doch.«
Er schüttelte den Kopf und blickte sie fassungslos an. »Ist das wirklich so einfach für dich? Kannst du Grant und Beth ansehen und ihnen lächelnd ›Macht’s gut, Kinder‹ ins Gesicht sagen? ›Es war schön, so lange es gedauert hat‹?«
»Du weißt, dass es nicht so einfach ist.«
Warrens Kiefermuskeln spannten sich, als er sich erhob und mit der Waffe in der Hand über ihr stand. Sie spürte den Revolver neben ihrem Kopf, eine kleine effiziente Todesmaschine, die wie ein Kinderspielzeug in seiner gebräunten Hand lag.
Er drückte die Mündung gegen ihren Kopf. »So einfach ist das, siehst du? Ich weiß, dass du eine Affäre hattest. Ich weiß es, weil du mir das Passwort nicht geben willst. Du denkst, du ersparst mir Schmerz, indem du mir die Wahrheit vorenthältst, aber so ist es nicht. Du machst es nur noch schlimmer, für mich und für dich. Damit dir eins klar ist: Du wirst dieses Haus nicht verlassen, bevor ich nicht weiß, mit wem du herumgevögelt hast. Hast du verstanden?«
Laurel wollte tapfer sein, doch sie spürte, wie sie zitterte.
»HAST DU DAS VER-STAND-DEN?«
Sie wartete, bis sie antworten konnte, ohne dass ihre Stimmeihre Angst verriet. »Ich möchte, dass du mir zuhörst, Warren«, sagte sie. »Ich möchte, dass du über all die Dinge nachdenkst, die uns im Lauf der Jahre Angst gemacht haben. Alles, was unsere Familie zerstören könnte … Krebs, Autounfälle, Kinderschänder, Einbrecher. Wir haben Schritte unternommen, um das alles so gut wie möglich zu verhindern. Aber jetzt, in diesem Augenblick …« Sie hob den Kopf und sah ihn an, und der Lauf des Revolvers schrammte an ihrem Schädel entlang. »Jetzt, in diesem Augenblick, bist du die größte Gefahr für unsere Familie. Was, wenn ich eine Affäre gehabt hätte? Ich kann verstehen, dass du dich verletzt fühlen würdest. Aber wäre das eine Rechtfertigung für das hier? Wäre irgendetwas eine Rechtfertigung für das hier? Würdest du tatsächlich die Mutter deiner Kinder ermorden? Denk an Grant und Beth. Stell sie dir in Gedanken vor. Wie unschuldig sie sind.«
Der Geruch von Waffenöl stieg ihr in die Nase. Nach ein paar Sekunden senkte Warren den Revolver und ging vor ihr in die Hocke. Sie sah eine Veränderung in seinen Augen und war sicher, dass sie den Zorn und den Schmerz durchbrochen und ihn erreicht hatte. Er sah noch immer erschüttert und zutiefst geschockt aus, doch die Empfindsamkeit, die nun in seinen Augen lag, war vorher nicht da gewesen.
»Weißt du überhaupt, was eine Familie ist?«, flüsterte er. »Was eine Familie ausmacht?«
Sie nickte, doch er schüttelte den Kopf.
»Vertrauen«, sagte er. »Das unterscheidet eine Familie von allem anderen. Blut allein reicht nicht. Es heißt zwar immer, Blut sei dicker als Wasser, aber Tag für Tag betrügen sich Brüder und Schwestern. Vertrauen ist der Leim, der eine Familie vor dem Chaos da draußen schützt.«
Laurel wollte antworten; dann aber wurde ihr bewusst, dass Warren die Welt auf eine Weise sah, die sie niemals würde nachvollziehen können.
» Du hast dieses Vertrauen zerstört«, sagte er mit Nachdruck. »Unwiderruflich. Der Schaden ist angerichtet, und ich kann dirnie wieder glauben, kann dich nie wieder beim Wort nehmen. Grant und Beth können dir nie wieder
Weitere Kostenlose Bücher