12 Stunden Angst
Telefon … wenngleich Auster nicht die geringste Ahnung hatte, welches Spiel die beiden spielten.
»Kyle …?«, fragte Laurel flehend.
»Ich bin hier.«
»Was ist denn nun? Komm endlich. Oder willst du nicht, dass ich dir einen blase?«
Auster wollte bereits auflegen, als ihm ein neues Szenario dämmerte. Was, wenn Warren seine Frau betrogen hatte? In den vergangenen Monaten hatte er sich eigenartig verhalten. Sogar schon länger, wenn man es genau bedachte. Wenn er Laurelbetrog, und sie hatte es herausgefunden, war sie vielleicht auf Rache aus. Jetzt war zwar nicht der beste Zeitpunkt – es wäre sogar der reine Wahnsinn, da Agent Biegler auf dem Weg nach Athens Point war –, doch er hatte schon lange ein Auge auf Laurel geworfen. Sie war eine Klassefrau. Neben ihr sah seine derzeitige Freundin wie ein Ackergaul aus (und das, obwohl Shannon zehn Jahre jünger war als sie), von Vida Roberts, dieser Matratze, ganz zu schweigen. Laurel besaß Klasse. Und es gab nichts Besseres auf der Welt als eine Frau mit Klasse, die auf der Suche nach Rache in die Gosse sah.
»Nun ja, ich … also, ich kann nicht sagen, dass ich keine Lust hätte. Was genau schwebt dir denn vor?«
»Komm einfach her. Stell den Wagen in der Garage ab. Ich warte auf dich. Bring Viagra mit – ich will richtig durchgevögelt werden.«
Die Erwähnung von Viagra lichtete den Nebel der Lust ein wenig. In diesem Moment glaubte Auster eine weitere leise, unterdrückte Stimme zu hören.
»Was ist mit Warren?«, fragte er rau. »Wo steckt er?«
»Ist er denn nicht da?«
»Er ist heute gar nicht in der Praxis erschienen.«
»Hm. Dann weiß ich es auch nicht. Na, ist mir auch egal. Ich weiß, was ich jetzt brauche.«
Auster spürte, wie sein Puls sich beschleunigte.
»Keine Sorge wegen Warren«, fuhr Laurel fort. »Er kommt tagsüber nie nach Hause. Vielleicht ist er zum Golfplatz.«
Auster schloss die Augen und zwang sich zum Nachdenken. Biegler war aus Jackson unterwegs, um die Praxis dichtzumachen. Und Vida musste jeden Augenblick zurück sein … Ja, Laurel zu vögeln schien die ideale Flucht vor alledem zu sein, doch in Wirklichkeit bedeutete es den beruflichen Selbstmord. Diesmal blieb ihm keine Wahl – er musste das Angebot ausschlagen, so unendlich verlockend es auch sein mochte. Vielleicht zum ersten Mal im Leben ließ Auster Geld auf dem Tisch zurück.
»Ich weiß das wirklich zu schätzen, Laurel«, sagte er. »Aberich muss passen. Es steht einfach zu viel auf dem Spiel im Moment. Ich muss immerzu an einen Spruch denken, den mein Daddy mir in jungen Jahren beigebracht hat.«
»Und wie lautet dieser Spruch?«
»Scheiß nicht dahin, wo du isst.«
Sie stieß das feminine Äquivalent eines verächtlichen Schnaubens aus. »Du hast zu oft gegen diese Regel verstoßen, als dass man es noch zählen könnte.«
»Ja, ich weiß. Aber Warren ist mein Partner. Vielleicht habe ich am Ende ja doch etwas gelernt. Sei vorsichtig, Honey. Du bist zu süß, um dich wegzuwerfen, verstehst du?«
Er legte auf, bevor seine dunkleren Triebe ihm zuvorkommen konnten.
Warren hämmerte das Schnurlostelefon gegen die Wand des Gästezimmers. Laurel zuckte zusammen, während zugleich Hoffnung in ihr aufkeimte. Sie hatte genau das getan, was Warren von ihr verlangt hatte, und hatte sich sexuell explizit ausgedrückt, doch der Schuss war nach hinten losgegangen, genau wie sie vermutet hatte. Je direkter sie war, desto verwirrter musste Auster reagieren. Ihre einzige Sorge war, dass er die Absurdität ihres Angebots ignorieren und es annehmen würde auf die vage Chance hin, Sex mit einer vor Eifersucht wahnsinnigen Frau zu haben. Er war jedenfalls lange genug hinter ihr her gewesen. Einmal, auf einer feuchtfröhlichen Weihnachtsfeier, hatte Kyle ihr sogar gestanden, dass er beim Sex mit anderen Frauen oft an Laurel dachte.
»Ich habe dir gleich gesagt, dass jemand dir etwas einreden will«, sagte sie leise. »Auster hatte keine Ahnung, wovon ich geredet habe. Glaubst du mir jetzt?«
»Ihr verständigt euch in einem Geheimkode, du und dieser Ficker!«, brüllte Warren. »Irgendetwas, das du zu ihm sagst, sobald ich in der Nähe bin. Oder etwas, das du nicht sagst. So ist es doch, oder?«
Angst stieg in ihr auf. »Warren … die Kinder. Bitte, schreinicht so und sag nicht solche Dinge.« Sie atmete tief durch, fuhr dann in tiefster Aufrichtigkeit fort: »Wenn du nicht glauben willst, was du mit eigenen Ohren gehört hast, dann weiß ich nicht, was
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