12 - Tod Bei Vollmond
Mann trat unter den Bäumen hervor und winkte ihnen zu.
»Das ist Tómma, Lesrens Gehilfe. Er hat mich benachrichtigt. Ich habe ihn gebeten, hier aufzupassen«, erklärte der Tanist und winkte zurück.
»Hat Tómma etwa die Leiche unbewacht gelassen, als er zur Festung eilte?«
»Nein. Er und Creoda hatten das grausige Verbrechen entdeckt. Er hat dann Bébháil gerufen. Sie sagte, sie würde bei dem Toten bleiben, während sich Tómma zur Festung aufmachte.«
Sie banden ihre Pferde an das Geländer vor dem Haupthaus.
»Wo ist Bébháil?« fragte Fidelma und sah sich rasch um. Von der Frau fehlte jede Spur. Accobrán zuckte die Schultern.
Als sie sich dem Wald näherten, sah Fidelma schon von weitem, daß der Ermordete auf dem Rücken lag – lang hingestreckt und friedlich, als warte er auf seine Bestattung. Offensichtlich hatte jemand Lesren sorgfältig aufs Gras gebettet und die Arme über der Brust gefaltet. Als Fidelma den Toten genauer betrachtete, fiel ihr auf, daß man ihn sogar gewaschen hatte. Beinahe hätte sie ärgerlich losgezischt. Wichtige Indizien waren nun verloren. Wütend blickte Fidelma Tómma an.
»Hast du das getan?« Sie zeigte auf die Leiche. Im selben Moment wurde ihr bewußt, daß ihre Geste falsch verstanden werden konnte. Sie fügte hinzu: »Hast du die Leiche so ordentlich hingelegt und sie gesäubert?«
Tómma war etwa genauso alt wie Lesren. Ihre Frage überraschte ihn sichtlich; er schüttelte den Kopf.
»Nein, Schwester. Das war Bébháil.«
»Du hättest sie davon abhalten müssen«, tadelte Eadulf ihn. »Wo ist sie denn jetzt?«
»Bébháil ist in der Hütte«, erwiderte Tómma. »Sie ist zusammengebrochen, und es wäre sinnlos, ihr deswegen Vorhaltungen zu machen.«
»Deine Rücksichtnahme in Ehren, Tómma, aber das erschwert natürlich meine Arbeit ungemein«, meinte Fidelma. Sie beugte sich hinunter und sah sich den Toten genauer an. Auf den ersten Blick konnte sie nichts Ungewöhnliches feststellen.
»Tómma, erinnerst du dich, wie er dalag, als ihr ihn gefunden habt?« fragte sie. »Wie mag er wohl zu Tode gekommen sein? Ja, und wie bist du auf die Leiche gestoßen?«
Der Gehilfe trat nervös von einem Bein aufs andere. »Es war kurz nach Mittag. Es gab nicht mehr viel zu tun, also hatte Lesren die anderen Arbeiter bereits nach Hause geschickt. Da bin ich ihm das letztemal lebend begegnet, Schwester. Ich ging auch heim, kam aber am Nachmittag wieder, um Lesren und Creoda beim Abnehmen der großen Häute zu helfen …«
»Creoda? Was hatte der hier zu tun?«
»Er gehört zu den jüngeren Gehilfen in der Gerberei. Wir konnten Lesren nirgends finden, also lief ich zum Haus. Bébháil war da, sagte aber, sie hätte ihren Mann seit dem Mittagessen nicht mehr gesehen. Da machten wir uns auf die Suche nach ihm.«
»Und fandet ihr ihn?«
»Ja, wir fanden ihn.«
»Tot?«
Tómma zögerte. »Noch nicht ganz.«
Fidelma hob den Kopf und sah ihm genau ins Gesicht. »Willst du damit sagen, daß er noch am Leben war?«
»Er lag im Sterben.«
»Hat er noch etwas gesagt?«
Wieder zögerte Tómma. »Er hat etwas vor sich hin gemurmelt. Ich konnte nur den Namen Biobhal verstehen.«
»Biobhal? Nicht Bébháil? Hat er nicht nach seiner Frau gerufen?«
»Nein. Ich hörte ganz deutlich Biobhal. Das habe ich auch zu Creoda gesagt, denn Lesren starb, als er den Namen aussprach. Ich kenne niemanden, der so heißt.«
»Wo ist Creoda eigentlich jetzt?«
»Er ist nach Hause gegangen.« Tómma machte eine entschuldigende Geste. »Creoda ist kaum achtzehn, er wohnt nicht weit von hier. Ich schätze, daß ihm das Ganze hier Angst einjagte und …«
»Schon gut. Wir werden Creoda später aufsuchen. Wo steht seine Hütte?«
Tómma zeigte nach Westen. »Den Weg am Fluß entlang, zwischen den Bäumen. Ihr könnt sie nicht verfehlen.«
»Sehr gut. Wo also habt ihr nun Lesren genau gefunden?«
»Hier bei den Bäumen. Da lag er, aber ganz anders. Ein Bein war angewinkelt, das andere unter den Körper geschoben. Die Arme waren ausgestreckt – so.« Tómma öffnete nun selbst die Arme.
»Und nachdem er den unbekannten Namen gemurmelt hatte, war dir klar, daß er tot war?«
Tómma dachte eine Weile nach. »Da war ich mir ziemlich sicher. Überall befand sich Blut. Creoda war fortgerannt. Ich holte Bébháil. Sie bat mich, zur Festung zu laufen.«
»Wann fing sie an, den Toten zu reinigen?«
Jetzt antwortete Eadulf: »Als wir Tómma und Bébháil hier zurückließen, lag er noch so da,
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