12 - Tod Bei Vollmond
Fidelma.
»Er tauchte erst auf, nachdem der Tanist mit deinem sächsischen Gefährten losgeritten war.«
»Wie war das genau?«
»Tómma und ich waren bei Lesren, auf einmal kam Liag aus dem Wald. Da gibt es einen schmalen Fußweg, ganz nahe der Stelle, wo Lesren lag.«
»Und wo führt dieser Fußweg hin?«
»Bis rauf nach Rath Raithlen, zur Festung.«
»War Liag überrascht, als er Lesren da liegen sah?«
»Überrascht?« Bébháil dachte einen Moment nach und schüttelte den Kopf. »Der alte Mann zeigt seine Überraschung nie.«
»Was hat er dann getan?«
»Er hat Lesren untersucht und dessen Tod festgestellt. Anschließend erklärte er mir, daß ich ihn auf den Rücken drehen sollte, ehe er ganz erkaltete, und ihn für das Begräbnis vorbereiten könnte.«
»Du hast also die Leiche auf Liags ausdrückliche Anweisung hin gewaschen und hergerichtet?«
»So ist es.«
Fidelma fragte sich, was Liag dazu bewogen hatte. Hatte er absichtlich Beweise vernichten wollen, oder hatte er einfach nur unüberlegt gehandelt?
»Hast du in der Zeit, nachdem Lesren die Hütte verließ und man später seine Leiche entdeckte, irgend etwas Ungewöhnliches gehört oder gesehen?«
Bébháil schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Und du hast in dieser Zeit niemanden hier oder im Umkreis der Gerberei bemerkt?«
»Keine Menschenseele.«
»Hast du irgendeinen Verdacht, wer Lesren getötet haben könnte?«
Bébháil sah Fidelma mit großen dunklen Augen an.
»Mein Mann war nicht gerade sehr beliebt«, sagte sie ruhig. »Du weißt sicher, daß er einige Feinde hatte. Doch du kannst nicht von mir erwarten, daß ich Namen nenne.«
Fidelma schwieg eine Weile. Dann bohrte sie weiter: »Hast du jemals den Namen Biobhal gehört? Er klingt dem deinen sehr ähnlich, ich weiß. Dein Mann hat ihn wohl im Sterben gemurmelt.«
Erneut schüttelte Bébháil den Kopf.
»Hier gibt es niemanden, der so heißt«, sagte sie nur. »Biobhal? Bist du sicher, daß er nicht meinen Namen sprach?«
»Tómma ist sich ganz sicher, und Creoda hat es wohl auch gehört.«
»Ich kenne niemanden, der so heißt.«
Fidelma lächelte sie beruhigend an. »Das war’s dann. Kann ich dir irgendwie helfen, Bébháil? Wird jemand bei dir bleiben und sich um dich kümmern? Wer kann für dich die Vorkehrungen für das Begräbnis treffen?«
»Ich habe eine Schwester ganz in der Nähe. Tómma wird sie holen.«
Ihre Stimme war leise, beherrscht und immer noch ganz emotionslos. Fidelma stand auf und legte tröstend eine Hand auf die Schulter der Witwe.
»Ich werde den Tanist darum bitten. Tómma sollte hierbleiben, bis deine Verwandten eintreffen, damit du nicht allein bist.«
»Allein?« Bébháil seufzte tief. »Oh, so sollen die Tage der Trauer um meinen Mann beginnen, der nun tot ist. Weint und klatscht in die Hände und singt das Nuall-guba , das alte Klagelied.«
»So soll es sein, Bébháil«, versicherte ihr Fidelma feierlich auf die rituelle Aufforderung hin. Dann rief sie Accobrán herein, damit Bébháil ihn zu ihrer Schwester schickte.
Sie wollte gerade den Raum verlassen, da fiel ihr Blick auf ein Stück glänzendes Metall, das auf dem Tisch lag. Sie nahm es in die Hand. Es wog recht schwer, funkelte und sah gelblich aus.
»Du bist ja reich, Bébháil«, sagte sie ruhig. »Das ist ein ziemlich großer Goldklumpen.«
»Laß mich mal sehen«, sagte Accobrán, griff nach dem Metallstück, drehte und wendete es mehrmals und legte es gleichgültig wieder auf den Tisch zurück. »Das ist nur Eisenkies – Katzengold«, sagte er schroff. War da Erleichterung in seiner Stimme?
»Ah«, sagte Fidelma leise. »Non teneas aurum totum quod splendet ut aurum.«
Bébháil saß weiter unbeweglich da, als würde sie ihre Besucher gar nicht mehr wahrnehmen.
Fidelma teilte Tómma draußen alles Nötige mit, und als Accobrán kurz darauf zu ihr hinauskam, erklärte er ihr, daß er sich um die Trauerfeierlichkeiten kümmern werde.
»Ich werde auch Bébháils Schwester und ihre Familie benachrichtigen, Lady. Wann kann mit den Zeremonien begonnen werden?«
»Ganz wie es dem Brauch entspricht«, erwiderte Fidelma. »Die Leiche ist zur Beerdigung freigegeben. Eadulf und ich erwarten dich in der Festung, sobald du zurück bist.«
Fidelma und Eadulf liefen schon zu den Pferden. Rasch schwangen sie sich hinauf.
»Wir müssen uns mit Creoda unterhalten, dann muß ich von Liag erfahren, wieso er hier zufällig in der Nähe war. Vielleicht hat er irgend etwas
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