1206 - Das Blut der schönen Frauen
Deutsche schon vor einer halben Stunde gehört, und ihre Meinung hatte sich in der Zwischenzeit nicht geändert. Sie wollte nicht behaupten, dass Kalina wie eine Einsiedlerin lebte, viel allerdings fehlte nicht, denn ihr Haus stand nicht in einem Ort. Sie hatte es mitten in die Einsamkeit gestellt, und es kam Alexandra vor wie eine kleine Insel inmitten der Prärie.
Das Haus war von einem wilden und großen Garten umgeben.
Selbst im Winter sah er ziemlich dicht aus. Die hohen Bäume hatten zwar ihr Laub verloren, die Büsche ebenfalls, doch sie standen so dicht beisammen, dass ein Durchkommen nicht überall möglich war. Aber der kleine Weg zur Haustür hin war relativ frei, sodass sie keine Schwierigkeiten gehabt hatte, an die Haustür zu gelangen.
Im Haus selbst sah es aus wie in einem Trödlerladen. Kalina sammelte wirklich alles, was nicht niet- und nagelfest war, und sie hatte zwischen all dem Kram sogar noch Platz für ihre Pflanzen gefunden, die in zahlreichen Töpfen standen und das Haus hier im Innern ebenfalls in einen Garten verwandelten.
Alexandra wunderte sich nur, dass die nach oben führende Treppe noch nicht zugewachsen war. Der Blick durch die Fenster war gehemmt.
Da musste man sich schon in bestimmten Winkeln aufstellen, um nach draußen schauen zu können.
Tiere gab es nicht im Haus. Sie sah weder eine Katze noch einen Hund noch einen Kanarienvogel. Vielleicht gab es einige Blattläuse oder Würmer, aber das interessierte nicht.
Durch die alten Möbel und die vielen Pflanzen war es im Haus sehr düster. Es gab zwar Lampen, doch deren Lichtstärke hielt sich in Grenzen. Die Besitzerin setzte mehr auf Kerzen, denn sie standen in verschiedenen Größen überall verteilt. In einem derartigen Haus hatte Alexandra noch nie übernachtet.
Eigentlich hätte sie es trotz allem toll finden müssen, denn diese Einrichtung kam ihrem Geschmack irgendwie auch entgegen, aber das Gefühl der leichten Beklemmung wollte nicht schwinden. Sie schob es nicht auf das Haus, mehr auf die Besitzerin, die sie bei dem ersten flüchtigen Rundgang begleitete, ihr viele Dinge erklärte und sie dabei immer wieder anfasste, was der Deutschen alles andere als angenehm war.
Wenn die Finger ihre Haut berührten, waren sie noch immer so kühl und trocken wie bei der ersten Begegnung. Das verwunderte sie schon.
Vor der Treppe, die aus Holz bestand, blieben die beiden stehen.
Kalina schaute ihren Gast an. In den dunklen Augen lag ein Funkeln.
Vielleicht auch Neugierde.
»Na, wie gefällt dir mein kleines Refugium?«
Auf diese Frage hatte Alexandra schon gewartet. Sie war Gast, sie hatte nichts zu meckern oder zu kritisieren. Jeder Mensch war anders und hatte auch einen anderen Geschmack.
»Darf ich ehrlich sein?«
Kalina lachte. »Darum bitte ich sogar.«
»Ich habe so etwas noch nie gesehen, muss ich ehrlich zugeben. Es ist wirklich ungewöhnlich. Nicht, dass es mir nicht gefallen würde, aber ich muss mich daran gewöhnen. Es kommt mir vor, als träfen hier im Haus zwei Welten zusammen. Auf der einen Seite das normale Wohnen, auf der anderen die Welt der Natur. Da wurde der Garten ins Haus geholt. Oder sehe ich das verkehrt?«
»Nein, das siehst du nicht. Ich wollte eine Symbiose zwischen Mensch und Natur einrichten. Deshalb habe ich mich für diese Möglichkeit entschieden. Ich kann mit der normalen Welt einfach nichts anfangen. Ich musste mir ein kleines Refugium schaffen. Im Sommer weiß man oft nicht, ob man im Haus ist oder draußen. Ich verzichte hier bewusst auf die Errungenschaften der Zivilisation. Du hast das Bad ja selbst gesehen. Es ist groß und zugleich eine Waschküche. Aber für das heiße Wasser müssen wir noch einen Ofen anheizen. So haben unsere Vorfahren gelebt, und so habe ich es fast übernommen. Wenn du ein Bad nehmen willst, sag jetzt Bescheid, dann kann ich…«
»Nein, das ist nicht nötig. Ich habe am Morgen geduscht.«
»Gut. Aber dein Zimmer möchtest du sehen?«
»Gern.«
»Dann lass uns hochgehen.«
Kalina ging vor. Alexandra folgte ihr und wusste noch immer nicht, ob sie alles träumte oder selbst erlebte. Eine Welt wie diese hatte sie nicht mal in einem Film erlebt. Hier war alles so anders und auch zeitlos.
Das Holz der Treppe bewegte sich und gab knarrende Laute ab, als die beiden Frauen in die Höhe stiegen. Auf der Treppe war kein Platz für Pflanzen oder Blumen, aber im oberen Flur in der ersten und zugleich auch letzten Etage standen wieder die Kübel, aus denen hohe
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