1208 - In den Katakomben von Starsen
nicht mehr, wie viele Stunden wir schon unterwegs sind. Wir wollen ruhen."
Den Schmerz, daß er von Atlan ein Feigling genannt worden war, hatte Chulch längst überwunden. Aber seine Einstellung den Blinden Eremiten gegenüber hatte sich nicht geändert.
„Wie soll ich ruhen können, wenn die Unheimlichen in der Nähe sind?" beschwerte er sich.
„Gut, dann halt du Wache", antwortete der Arkonide.
Er schlief fest und traumlos. Er verließ sich auf den Extrasinn, der ihn warnen würde, wenn Gefahr drohte.
Wie lange er geschlafen hatte, als ein merkwürdiges Geräusch ihn weckte, wußte er nicht Er fühlte sich entspannt und ausgeruht Allerdings hatte der Hunger um etliche Nuancen zugenommen. Sein spöttischer Blick musterte Chulch, der trotz seiner Angst vor den Blinden Eremiten in tiefen Schlaf versunken war.
Dann konzentrierte er sich auf das Geräusch. Es war ein vielfältiges, anhaltendes Rascheln, untermalt von gelegentlichem Summen. Die Eremiten brachen mit ihren Gefangenen auf. Er kroch nach vorne zum Rand der Felsleiste und spähte in die Tiefe. Die Szene war ihm vertraut. Die Bäume veranlaßten ihre Opfer, sich in Reih und Glied aufzustellen. Fünf Eremiten schritten voran und bewegten sich auf eine der größeren Stollenmündungen zu. Schläge mit gertengleichen Zweigen brachten die Gefangenen in Bewegung.
Bis hierhin war alles so, wie es der Arkonide schon einmal erlebt hatte. Schon wollte er sich zurückziehen, um Chulch zu wecken, da wurde es plötzlich in einem der Seitengänge lebendig. Ein schrilles Pfeifen erfüllte die Luft. Die Blinden Eremiten schienen zu wissen, was es zu bedeuten hatte. Sie wandten sich blitzschnell zur Seite, der Richtung zu, aus der das fremdartige Geräusch kam. Um ihre Gefangenen kümmerten sie sich nicht mehr, so hatte es wenigstens den Anschein.
Da kam es aus einer der niederen Stollenmündungen herangebraust: Pflanzenwesen, die terranischen Weiden ähnelten, mit gedrungenen, knorrigen Stammen und einer Fülle biegsamer Zweige. Das Pfeifen, erkannte Atlan, rührte daher, daß sich ein Teil der Zweige in rotierender Bewegung befand. Es war ein schrilles, durchdringendes Geräusch, durchaus dazu geeignet, die Furcht eines unerfahrenen Gegners zu wecken.
Die Weidenbäume kamen nicht in freundlicher Absicht, soviel wurde im Handumdrehen offenbar. Die Blinden Eremiten warfen sich ihnen entgegen. Die Weiden waren wendiger, und ihre peitschenähnlichen Zweige besaßen größere Flexibilität. Aber die Eremiten waren ihnen an Stärke und Beharrungskraft überlegen.
Der groteske Kampf wogte hin und her. Bald ließen sich die Kämpfer nicht mehr voneinander unterscheiden, so waren Ast- und Zweigwerk ineinander gefangen. Einer der stämmigsten Eremiten drängte einen Angreifer gegen die Wand der Höhle und bearbeitete ihn mit seinen kräftigen Ästen, bis sämtliche Zweige des Weidenwesens geknickt herabbaumelten. Als der Eremit von seinem Gegner abließ, glitt dessen gedrungener Stamm haltlos an der Felswand entlang und stürzte zu Boden.
An anderem Ort hatten die Weiden inzwischen jedoch einen Erfolg erzielt Es war ihnen gelungen, zwei der Gefangenen zu ergreifen. Sie umschlangen sie mit ihren Zweigen und zerrten sie mit sich fort. Das schien der Hauptzweck des Überfalls .gewesen zu sein. Die Blinden Eremiten wollten den Entführern nachsetzen und ihnen die Beute wieder entreißen. Aber die Weiden bildeten einen Wall, der die Verfolger so lange aufhielt, bis ihre beiden Artgenossen mit den Gefangenen die Sicherheit des Stollens erreicht hatten.
Erst dann begannen sie, sich vom Gegner zu lösen. Dabei blieb ein weiteres Weidenwesen auf der Strecke.
Der Rest der Meute entkam unangefochten. Das Geräusch wurde rasch leiser. Die Blinden Eremiten sammelten sich. Den Gedanken an eine Verfolgung schienen sie aufgegeben zu haben. Es war interessant zu sehen, wie sie einander mit den Ästen betasteten und nach Verletzungen suchten. Keiner dBäume er schien ernsthaft beschädigt worden zu sein. Sie brachten die Gefangenen wieder auf Vordermann. Dann zogen sie davon, der beiden reglosen Weidenstrünke nicht achtend, die auf dem Boden der großen Höhle zurückblieben.
Atlan richtete sich auf. Als er sich umwandte, stand Chulch hinter ihm, die Augen groß vor Staunen und von einem leichten Schleier der Unausgeschlafenheit überzogen.
„Was war das für ein Lärm?" fragte er.
„Die Weidenpflanzen haben, die Eremiten angegriffen und ihnen zwei Gefangene abgenommen",
Weitere Kostenlose Bücher