121 - Das Scheusal aus dem Nichts
sie
plötzlich Fieber.
Wollte er ihr Angst
machen? Er sollte diesen Unsinn doch unterlassen!
Zehn Minuten verstrichen. Da hielt Steffanie
Holten es nicht mehr länger aus. Sie war verwirrt vor Wut und Zorn aber auch
von einer unerklärlichen Angst.
Sie schlüpfte einfach in ihre Blue Jeans und
ihren Pulli, lief auf Zehenspitzen die Treppe nach unten und ging auf die
offenstehende Stalltür zu.
Unruhe herrschte darin. Die Schweine
quiekten. Das kam von weit hinten. Der Stall war riesig groß und in mehrere
Bezirke unterteilt.
Links standen die Kühe.
„Bern ..Sie wollte rufen, aber die zweite
Silbe blieb ihr wie ein Kloß im Hals stecken.
Ihre Augen, an die Dunkelheit gewöhnt, nahmen das flache Gatter links wahr. Im ersten Moment hatte
sie geglaubt, die Kühe lägen dort und schliefen. Steffanie hatte schon
schlafende Kühe gesehen, aber die lagen anders da. Sie streckten alle viere von
sich, hatten die Augen weit aufgerissen und blickten starr auf einen imaginären
Punkt.
Sie waren tot!
*
Drei Sekunden stand die junge Frau wie
erstarrt. Sie wagte nicht, auch nur einen einzigen Schritt in den Stall zu
gehen, in dem Bernhard verschwunden war, und aus dem er sich nicht mal jetzt
meldete.
Sie kam aus dem Schrecken nicht mehr heraus.
Plötzlich, wie aus dem Boden gewachsen, stand
jemand hinter ihr. Noch ehe Steffanie den Ankömmling sah, fühlte sie die
körperliche Nähe.
Eine Hand legte sich auf ihre Schulter.
„Was suchen Sie hier?“ fragte eine rauhe,
unfreundliche Stimme.
Steffanie warf ruckartig den Kopf herum. Sie
blickte in die dunklen, sezierenden Augen Amelia Porkars.
„Es ist ungewöhnlich, wenn ein junges Mädchen
nachts allein ein fremdes Grundstück durchstreift“, bekam sie zu hören. „Was
wollen Sie hier, ich erwarte eine Erklärung.“
„Ich hatte etwas beobachtet.“ Sie sprach ganz
mechanisch. „Mein Freund wollte nach dem Rechten sehen - er kam nicht mehr
zurück. Da suchte ich ihn - vergebens..."
Amelia Porkar griff nach dem Haken an dem
Pfosten neben der Torhälfte, hängte eine Laterne ab und zündete sie an.
Die Frau schrie leise auf, als sie die
Bescherung sah.
„Um Himmels willen! Die Tiere!“
Sie war außer sich. Zwei tote Kühe!
Sie gingen tiefer in den Stall hinein, und
Steffanie folgte der merkwürdigen Frau, die über ein altmodisches Nachthemd
einen schwarzen Mantel gezogen hatte. Diese Nacht kam ihr so fremd, so
unwirklich vor.
Im Stall weiter hinten fanden sie ein totes
Schwein. Die Unruhe unter den Tieren war groß. Überall muhte und quiekte es.
Die junge Berlinerin bekam das alles nur am
Rande mit. Sie hielt Ausschau nach ihrem Freund, aber der war nirgends zu
finden!
„Er ist daran schuld, niemand anders sonst“,
vernahm sie die heisere, fanatisch klingende Stimme der Hofbesitzerin.
Steffanie zuckte zusammen.
„Wer?“ fragte sie matt.
„Der Fremde. Bei den Steinhusens. Ich habe
gewußt, daß es so kommen würde.“ Sie stand da wie eine Erscheinung aus der
Geisterwelt. Der schwarze Mantel streckte ihre Gestalt, gespenstisch weiß
wirkte ihr Gesicht, auf dem durch das Licht der Stallaterne eigenartig
verzerrte Schattenbewegungen entstanden. „Er ist schuld daran, er ist schuld!“
Es klang wie eine Beschwörung, und Steffanie fürchtete schon, Amelia Porkar
hätte den Verstand verloren. „Erst mein Mann - dann wurde uns das Vieh krank -
nun verreckt es - es gibt Menschen, die ziehen das Unglück an, glauben Sie mir -
ich habe ihn schon die ganze Zeit über im Verdacht. Die Leute im Nachbardorf
reden auch schon darüber. Ich wollte es nicht wahrhaben.“
„Von wem sprechen Sie?“
„Von dem Mann im Rollstuhl. Seit er hier ist -
passieren seltsame Dinge ...“
Steffanie schluckte. Sie mußte an die
eigenartige formlose Masse denken, die durch die Türritzen in das Innere der
Ställe gedrungen war, und sie mußte an Bernhard denken, der hierhergegangen -
aber nicht mehr herausgekommen war. Das paßte auch zu den seltsamen, wenn auch
absurd klingenden Anschuldigungen der Porkar.
„Er hatte das Unglück mitgebracht.“
„Unsinn! So etwas gibt es nicht.“
Amelia Porkar kam ihr zwei
Schritte entgegen, und Steffanie erschrak vor dem wilden Feuer in diesen
dunklen Augen. „Es gibt mehr, als Sie ahnen, liebes Kind.“
„Ich habe kein Interesse daran, jetzt über
ein paar komische Theorien zu diskutieren. Ich suche meinen Freund, verstehen
Sie das nicht?“ Die Blicke der beiden Frauen begegneten sich.
„Ihr Freund? Was habe
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