1218 - Dämonenflucht
die Arme aus. »Bitte, willst du sie herzaubern, Nadine? Aus dieser friedlichen Welt?«
Ihre Augen verengten sich für einen Moment. Möglicherweise hatte ihr die Ironie missfallen, aber sie ging nicht darauf ein, und ich hörte auch keinen Vorwurf. »Du musst das anders sehen, John, ganz anders. Und du musst dich an die Verga ngenheit erinnern. Denn da bist es du gewesen, der dem Abbé ebenfalls geholfen hat. Er war blind, aber er wurde wieder sehend. Erinnerst du dich noch, wie es damals passierte?«
»Ja, ich kam hierher, um das aus der Hand zu geben, nach dem ich so lange gesucht hatte.«
»Sprich es ruhig aus, John!«
Ich tat es und spürte dabei einen Schauer auf dem Rücken.
»Der Dunkle Gral.«
»Ja, John, ja.« Das Lächeln setzte sich auf ihrem Gesicht fest.
»Es ist der Dunkle Gral. Er hat dort seinen Platz gefunden, wo er hingehört. Bei den Mumien der Ritter der Tafelrunde. Aber nirgendwo steht geschrieben, dass er für alle Ewigkeiten an diesem Platz bleiben soll. Es ist sein Ort, dem stimme ich zu, nur wird niemand etwas dagegen haben, wenn er ihn mal verlässt.«
Es hatte etwas lange gedauert, aber jetzt begriff ich und atmete zunächst scharf aus.
»Du… du… meinst, dass ich ihn…«
»Richtig. Ich werde ihn dir geben.«
Ich war wie erschlagen und spürte auch einen leichten Schwindel. Zweimal musste ich schlucken, bevor ich eine Antwort geben konnte. Auch die endete in einer Frage. »Und das wird wirklich so einfach sein, wie du es gesagt hast?«
»Ja!« Sie lächelte jetzt. »Oder traust du mir nicht?«
»Natürlich traue ich dir. Entschuldige. Nur kommt alles so plötzlich für mich.«
»Nein, John, nicht so plötzlich. Der Knochensessel hat schon gewusst, was er tat. Er sah es als einzige Chance an, noch etwas zu retten. Raniel und seine Freundin, von denen du mir erzählt hast, haben ihre Pflicht getan. Ich bezweifle, dass sie noch ein zweites Mal eingreifen werden, und deshalb kann nur er die Wende bringen. Es darf van Akkeren nicht gelingen, die Welt der Templer und damit auch sie zu vernichten. Das musst du dir immer vor Augen halten.«
»Keine Sorge.«
Sie legte mir kurz eine Hand auf die Schulter. »Dann warte hier bitte auf mich, John.«
Mehr sagte sie nicht, drehte sich um und ging weg. Nein, das war auch jetzt kein richtiges Gehen, sondern mehr ein Fliegen durch das hohe Gras mit seinen blühenden Blumen. Ich schaute ihr nach, aber meine Gedanken beschäftigten sich nicht mit Nadine, sondern mit einem ganz anderen Problem.
Es war der Gral!
Wenn ich an ihn dachte, wurde mir beinahe schwindlig.
Welche Mühe hatte es mich gekostet, ihn zu finden! Er war der Wegöffner. Er konnte das Dunkel der Zeiten aufreißen. Er konnte seinen Besitzer nach Avalon führen, auch hinein in die Druidenwelt Aibon oder auch zum Rad der Zeit. Es wäre bei mir vieles leichter gewesen, wenn ich ihn in meinem Besitz gehabt hätte. Doch um ein Menschenleben zu retten, hatte ich ihn damals in Avalon gelassen. So war der Abbé von seiner Blindheit geheilt worden, denn als Blinder hätte er die Macht seiner Templer nicht so ausbauen können. Das war mir damals unbewusst schon klar gewesen.
Aber der Gral polarisierte auch. Wer nicht würdig war, ihn zu besitzen, den zerstörte er so radikal wie Feuer. Dieser Mensch verbrannte. Auch sonst war und blieb der Mann ein von Geheimnissen umlagerter Kelch oder eine Schale, über die König Salomo ebenfalls verfügt hatte und dem Dichter Wolfram von Eschenbach verschlüsselte Botschaften mit auf den Weg gegeben hatte, die er in seiner Prosa verwendet hatte.
Für mich war er noch immer ein Wunder, denn seine Geheimnisse kannte ich nicht alle. Aber ich hatte nie den Versuch unternommen, sie zu ergründen. Es wäre unangemessen gewesen.
Und nun sollte er mir wieder helfen. Der Schauer verschwand nicht von meinem Körper. Auch drehten sich meine Gedanken wieder um den König Salomo, den ich ebenfalls auf einer Zeitreise kennen gelernt hatte. Den Gral hatte ich abgeben müssen, doch als Gegenleistung hatte ich damals möglicherweise das Schwert des Salomo erhalten, zumindest konnte ich mir das jetzt vorstellen.
Was hatte ich nicht alles erlebt, um den Gral zu finden, zu dem noch die Kugel der Tanith gehörte, einer verstorbenen Wahrsagerin, die sogar einen Kontakt zu der legendären Königin von Saba geschaffen hatte.
Mir war in diesen Sekunden, als hätte die Vergangenheit ein Buch aufgeschlagen, in dem alles aufgeschrieben oder gespeichert war. Aber ich
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