1219 - Die Abrechnung
Antwort. Durch normales Nachdenken hätte sie es vielleicht geschafft, einen Weg zu finden, aber das war unmöglich.
Nichts lief mehr. Sie wollte auch nicht. Sie wünschte sich weit weg.
»Nun…?«
Sendrine hob die Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Ich dachte, sie würden mich töten…«
»Hätte ich locker getan«, erklärte er. »Das wäre auch kein Problem gewesen. Aber ich habe es nicht gemacht, denn ich habe noch einiges mit dir vor.«
»Was?«
Die Frage war ihr einfach herausgerutscht, doch van Akkeren freute sich darüber und nickte.
»So ist es gut, Sendrine. Das ist sogar he rvorragend. Ich sehe, du spielst mit. Noch liegt der Abbé über der Erde, aber das wird sich ändern. Sie werden am Abend eine Totenmesse halten. Sie werden sich in ihrer Kapelle versammeln. Gemeinsam mit ihren engsten Freunden, die auch zu meinen engsten Feinden gehören. Das wird alles so geschehen wie ich es dir gesagt habe. Und ich möchte, dass du deinen Onkel auf seinem letzten Weg begleitest.«
Das war eine Überraschung für sie. Sendrine sprach zunächst kein Wort. Vor Staunen war ihr der Mund offen geblieben.
»Ich soll zur Beerdigung meines Onkels, der für mich ein Fremder ist und den ich gar nicht kenne?«
»So ist es.«
»Man kennt mich nicht. Man wird mir nicht glauben. Was werden die Templer dazu sagen?«
Van Akkeren lächelte lässig. »Man wird dich akzeptieren. Ich denke, dass du schlau genug bist, ihre Fragen so zu beantworten, dass sie nicht misstrauisch werden.«
»Ich will aber nicht hin!«
»Du musst!«
Es war der Blick seiner Augen, der ihren Widerstand brach.
Sie schaute gegen ihre Knie. Mit der nächsten Antwort gab sie eine gewisse Kompromissbereitschaft bekannt. »Ich weiß nicht mal, wo mein Onkel gelebt hat.«
»In Alet-les-Bains.«
»Kenne ich nicht.«
»Es ist im Süden Frankreichs. Man kann den Ort gut von Toulouse aus erreichen. Das wird für dich kein Problem sein, da ich an deiner Seite stehe und dir helfe.«
»Ich weiß nicht…«
»Doch, Sendrine, du weißt. Du wirst es wissen müssen, denn ich lasse mich von meinen Plänen nicht abbringen. Es wird die Abrechnung geben und auch die Rache. Das kann ich dir versprechen. Und dich wird man mit ausgebreiteten Armen aufnehmen.«
Sendrine dachte wieder an das Messer. Augenblicklich schauderte sie bei der Erinnerung an die kalte Klinge an ihrem Hals zusammen.
»Dann kommen wir zu den Einzelheiten, wie ich sie mir ausgedacht habe«, erklärte er mit dem neutralen Tonfall eines Geschäftsmanns.
»Ich werde dafür sorgen, dass du nach Alet-les-Bains kommst. Du wirst dich mit den Templern bekannt machen und immer daran denken, dass dein Leben in meiner Hand liegt. Es kommt also auf dich an, ob du lieber in der kalten Graberde liegen willst oder weiterhin am Leben teilhaben möchtest. Und du wirst es schaffen, sehr traurig zu sein. Du wirst sie darum bitten, mit in die Kapelle kommen zu dürfen, um bei der Trauerfeier dabei zu sein. Und genau dort wird es dann passieren.«
»Was… was soll passieren?«, fragte sie.
Van Akkeren nahm sich noch Zeit. Er schnalzte mit der Zunge und spielte den Genießer. »Genau dort wirst du die Bombe abstellen, meine Liebe und all diejenigen, die sich in der Kapelle versammelt haben, in die Luft jagen…«
***
Es war heraus, und Sendrine war wieder sprachlos. Sie schaute starr nach vorn, und in ihrem Gesicht waren die Züge eingefroren. Sie kam sich vor wie von einem Kälteschock erwischt. »Hast du mich verstanden?« Sendrine schüttelte nur den Kopf und merkte, dass ihr übel wurde, was nicht an der heftigen Bewegung gelegen hatte, sondern einzig und allein an van Akkerens Forderung.
Allmählich wurde ihr klar, was er von ihr wollte. Er verlangte einen Mord von ihr und nicht nur einen, sondern eine ganze verdammte Bluttat. Das war nicht zu fassen. Es war ungeheuerlich, und sie schaffte es nicht, das alles nachzuvollziehen. Man wollte sie zu einer Mörderin machen, das konnte sie nicht hinnehmen. Einen Menschen umzubringen, hätte sie sich nie vorstellen können. Selbst in ihrem größten Zorn oder Hass wäre ihr das nicht möglich gewesen.
»Nein!«
Die Antwort amüsierte ihn, denn er konnte das Lächeln nicht zurückhalten. »So etwas kann ich nicht akzeptieren, Sendrine. Du kommst aus dieser Lage nicht mehr heraus, das musst du einsehen. Ich habe es beschlossen, und dabei bleibt es.«
»Ich kann keinen umbringen«, sprach sie leise.
»Du wirst es lernen. Menschen können so manches nicht,
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