1227 - Verschollen im Mittelalter
das schwarze Loch und machte sich an den Abstieg.
Die anderen folgten ihm. Nelson zählte mit und kam auf sechsundachtzig Stufen, bis seine Füße wieder festen Boden berührten. Von Stufe zu Stufe war die Luft kälter und zugleich feuchter geworden. Es roch modrig – nach verfaulter Erde oder brackigem Wasser.
Sie beeilten sich und folgten dem zitternden Lichtkegel der Taschenlampe, der die Finsternis vor ihnen zerschnitt. Endlich gelangten sie in eine Art steinerne Halle, von der sternenförmig mehrere Wege abgingen. »Hier entlang«, trieb sie Luk weiter in einen der Gänge, folgte diesem bis zum Ende, bog noch einmal ab und hielt plötzlich inne. »Moment«, flüsterte er. »Bleibt hier.« Mit seiner Taschenlampe tastete er zunächst die feuchte Wand ab, ging dann ein paar Schritte zurück – und war plötzlich verschwunden!
Nelson spürte, wie sich Judiths Hand in seinen Arm krallte. »Ganz toller Trick«, maulte sie, »echt lustig. Aber wenn du keinen Stress willst, dann schalt sofort das Licht wieder an!«
Doch nichts geschah. Absolute Finsternis umgab sie. Die Stille kroch ihnen den Nacken herauf wie ein unheimliches Insekt.
»Luk! Mach keinen Quatsch!«, rief Nelson und seine Stimme klang schriller und wütender, als er es beabsichtigt hatte.
»Ich bin ja da«, antwortete eine Stimme neben ihm. Doch als Nelson nach Luk tastete, fasste er nur auf feuchten Stein.
Plötzlich war das Licht wieder da – aber jetzt leuchtete es aus der Wand heraus!
»Wo bleibt ihr denn?«, rief Luk mit unterdrückter Stimme. »Könnt ihr mal einen Zahn zulegen?«
Nelson tastete sich vor, Judith im Schlepptau. Beim Lichtschimmer endete die Wand und Nelson grapschte ins Nichts. Luk ergriff seine Hand, zog ihn um die Ecke und drückte ihm die Taschenlampe in die Hand. »Der Dom«, flüsterte er andächtig, »was sagt ihr nun?«
Nelson leuchtete in einen steinernen Saal, der sich in der Breite mindestens zwanzig Meter ausdehnte und nach vorne hin keine Grenze erkennen ließ. Auch die Decke war außergewöhnlich hoch und lief spitz zu, was dem Raum das Aussehen einer mächtigen Kathedrale verlieh.
Sie wagten sich weiter, obwohl ihnen allen mulmig zumute war. Diesmal ging Nelson voran. Er ließ die Taschenlampe kreisen und tastete mit dem schmalen Lichtkegel den kalkigen Boden ab. Plötzlich erfasste der Kegel etwas, das aussah wie ein großes Rohr. Der Lichtstrahl zuckte zurück. Ein zweites Rohr tauchte auf. Darunter erkannten sie schemenhaft eine seltsame Apparatur, die allmählich Konturen annahm, ein Gebilde, zu dem auch eine Art Sofa gehörte, hinter dem wiederum eine Schalttafel sichtbar wurde und…
Nelsons Atmung setzte aus. Das konnte doch nicht – aber das war unmöglich! Er blinzelte. Wenn das, was er sah, war, wofür er es hielt, dann…
Die beiden anderen schienen ebenfalls zu Salzsäulen erstarrt. Vorsichtig, so als könnte die Erscheinung jederzeit wieder verschwinden, näherten sie sich der Apparatur. Nelson leuchtete um das Gebilde herum. Er erkannte die Konstruktion auf den ersten Blick: Die zwei Rohre waren Laserkanonen, die so zueinander standen, dass sich ihre Strahlen im Betriebszustand schneiden mussten. Die Aluminiumblätter gehörten zu einem Rotor, der die Strahlen in Schwingung versetzte. Um die vermutete Schnittstelle herum zog sich ein durchsichtiger Kasten aus speziell gehärtetem Kunststoff mit mehreren Öffnungen und Düsen – der Behälter für das Bose-Einstein-Kondensat! Herzstück der Konstruktion war der zentrale Rechner, eine eindrucksvolle Computereinheit von beträchtlichen Ausmaßen. Überhaupt hatte die gesamte Konstruktion eine Größe, die Nelson grübeln ließ, wie Levent die einzelnen Elemente bloß unbemerkt hierher gebracht hatte.
»Der Dom hat einen zweiten Zugang«, erklärte Luk, der anscheinend seine Gedanken las. »Quer durch den Berg.« Er wies auf die gegenüberliegende Wand. »Der Gang endet da vorn. Er ist mindestens drei Kilometer lang. Es muss Monate gedauert haben, das ganze Zeug hier runterzuschaffen.«
»Und ihr seid sicher, dass das Monstrum hier Levents berühmte Zeitmaschine ist?«, fragte Judith gedehnt, nachdem sie die Apparatur von allen Seiten begutachtet hatte.
Nelson und Luk blickten sie irritiert an. »Was denn sonst?«, fragte Nelson.
»Die Zeitmaschine, mit der Levent ins Mittelalter gereist ist?«, beharrte Judith.
»Natürlich, was fragst du?«
»Und könnt ihr Intelligenzbestien einer Unwissenden erklären, warum Levent zwar fort, die
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