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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
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wunderte sich, dass es keinen direkten Weg hinauf gab. Aber Luk erklärte ihm, dass alle Wehranlagen ähnlich angelegt waren: Angreifer, die sich der Burg näherten, mussten den Verteidigern ihre linke, schildentblößte Seite zuwenden und waren auf diese Weise ungeschützt.
    Während sie sich Burg Rosenstoltz näherten, schien der riesige Turm vor ihren Augen noch weiter in den Himmel zu wachsen. Auch die Burgmauer hatte gigantische Ausmaße. Sie war aus Tausenden, vielleicht Zehntausenden mächtigen Buckelsteinquadern errichtet worden und wirkte schier unüberwindbar. Nelson registrierte Dutzende von schmalen, kreuzförmigen Schießscharten, hinter denen vermutlich Bogen- und Armbrustschützen lauerten. Links und rechts vom Tor wie auch auf der Rückfront der Anlage erhoben sich runde Wachtürme mit klobigen Zinnen, die den Verteidigern sicheren Schutz boten. An den Türmen und entlang der Mauer wölbten sich in regelmäßigen Abständen abgerundete Erker nach außen, deren Böden, wie Luk erklärte, aufgeklappt werden konnten, um geschmolzenes Pech, kochendes Wasser oder Fett, Steine, Unrat und sogar Urin und Exkremente auf mögliche Angreifer zu schütten.
    »Is ja eklig«, schnaubte Judith und blickte angewidert hinauf.
    Die Zugbrücke war heruntergelassen. Nelson wunderte sich, dass die Wachposten kaum aufblickten, als sie das Tor passierten. In seiner Vorstellung lebten die mittelalterlichen Burgenbewohner – aufgrund ihrer ständigen Furcht, von feindlichen Heeren überfallen zu werden – in geschlossenen Anlagen, die sie nur für einzelne Besucher öffneten. Natürlich war das Blödsinn, wie ihm jetzt bewusst wurde. Ein feindliches Heer war vom Hauptturm in einer Entfernung von mindestens zwanzig Kilometern zu sehen – Zeit genug, um die Schotten dichtzumachen. Und außerdem: Wer würde es während des größten Ritterturniers seiner Zeit wohl wagen, eine Burg wie diese zu erstürmen? Gerade jetzt, da die stärksten Kämpen weit und breit nur darauf warteten, mit anderen ihre Kräfte zu messen und sich womöglich in einer echten Schlacht zu beweisen.
    Sie schritten durch eine dunkle, tunnelartige Torhalle, an deren Seiten ebenfalls Schießscharten angebracht waren. Am Ausgang lauerte ein in seitlichen Mauerschlitzen verlaufendes Fallgitter.
    »Ich könnte wetten, dass die Gitterstäbe einzeln runterkrachen«, bemerkte Luk mit einem seltsamen Glühen in den Augen. »Sonst wäre es ein Leichtes, das Gitter abzufangen und darunter hindurchzukriechen.«
    Als sie in den ersten Burghof traten, verschlug es ihnen die Sprache. Das war nicht die Burg, die sie kannten, das hier war eine richtige Stadt!
    Im Zentrum der Anlage reckte sich der gigantische Bergfried gen Himmel, der auf viele kleinere Gebäude herabblickte. Sie identifizierten das Küchenhaus, vor dem gerade Hühner geschlachtet wurden, verschiedene Wirtschaftsgebäude und Ställe, eine Art Bäderhaus, eine Doppelkapelle und etwas abseits und höher gelegen ein palastartiges Gebäude, in dem allem Anschein nach der Burgherr mit seiner Familie wohnte.
    Um diese Stadt betreten zu können, mussten sie jedoch ein weiteres Tor passieren, denn hinter der ersten erstreckte sich noch eine zweite, etwas niedrigere Mauer mit Graben und Zugbrücke, die ebenfalls von gelangweilten Posten bewacht wurde.
    Überall wimmelte es von Menschen. Auf einer großen Wiese zwischen den beiden Mauern übten sich Ritter und Knappen im Schwert- und Lanzenkampf, Bogenschützen zielten auf weit entfernte Strohpuppen. Rund um die Gebäude boten Händler lautstark ihre Waren feil, Mägde rannten schreienden Kindern hinterher, Knechte liefen mit Säcken auf den Schultern über den Hof, irgendeiner rollte ein riesiges Fass vor sich her und abseits standen Mönche in Gruppen beieinander und diskutierten wahrscheinlich über Gott und die Welt.
    »Wir könnten unsere Brüder dort hinten anquatschen«, schlug Judith vor, die keine Zeit verlieren wollte. Sie deutete auf eine Gruppe von Mönchen, die ihnen am nächsten stand. »Vielleicht hat einer von denen ‘ne Ahnung, ob der Antichrist schon hergebracht worden ist oder sich inzwischen in eine Kakerlake verwandelt hat.« Beim Wort »Antichrist« rollte sie mit den Augen.
    Sie schlenderten hinüber und blieben etwas abseits stehen. Die Ordensbrüder trugen eine weiße Tunika und ein weißes Skapulier. Nelson schloss daraus, dass es sich um Dominikaner handelte, ein Bettelorden wie der ihre, der erst vor kurzem gegründet worden war. Einer

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