1229 - Das Vogelmädchen
sie die Tränen nicht unterdrücken, und sie schluchzte auf.
Sie flog noch höher. Der Himmel besaß für sie keine Grenze.
Sie wünschte sich, bei den Sternen zu sein, stattdessen aber ging sie wieder tiefer, denn sie hatte die Schreie gehört.
Und jetzt sah sie auch, was mit Max geschehen war. Sie war von Sina in die Höhe gerissen worden wie eine große Puppe, denn ihre Ziehmutter hatte sich nicht wehren können. Sie stand zwar auf den eigenen Füßen, wurde aber an der Kehle gepackt und heftig herumgedreht, um den Riesenvogel anzuschauen.
Dessen Schnabel stand offen.
Carlotta war es nicht möglich, sich mit der Blonden zu verständigen. Sie musste sich da schon auf gewisse Gesten verlassen, und genau die folgten wie automatisch.
Es war klar, was Sina wollte. Der Monstervogel brauchte Nahrung, und die würde er wieder mal in Form eines Menschen erhalten. Maxine sollte so sterben wie der Mann vom Schiff.
Der Ärztin ging es schlecht. Aus eigener Kraft kam sie nicht frei, und dann hörte Carlotta ihren Namen. Er war nicht nur einfach gerufen worden, Max hatte ihn geschrien. Es hatte auch all die Angst in diesem Schrei gelegen, und für das Vogelmädchen stand fest, was es jetzt tun musste.
Ohne Maxine wusste sie nicht, wie ihr Leben weiterhin verlaufen sollte. Wenn, dann würden sie beide untergehen und sterben, und so entschloss sie sich, als das Echo des Schreis noch nicht richtig verweht war.
Sie flog dem Boden zu.
Dabei rief sie etwas und fuchtelte auch mit den Händen, obwohl sie mit einer das Schwert hielt. Carlotta wollte es nicht zum Äußersten kommen lassen. Vielleicht gab es noch eine Chance. Vielleicht würde Sina Gnade vor Rache ergehen lassen.
Sie flog weiter. Sie hörte das Lachen der Blonden, und plötzlich richtete sich auch der Vogel auf. Aus der Nähe sah es aus, als würde unter ihr ein dunkles Zelt aufgerichtet werden, denn selbst aus dieser Entfernung sah sie nicht nur die Größe des Vogels, sondern auch dessen Höhe.
Er blieb stehen…
Und Carlotta sank immer tiefer. Sie weinte, aber das störte sie nicht, sie wollte nur, dass Maxine nicht mehr zu leiden brauchte, denn jetzt schwebte über ihrem Kopf bereits der geöffnete Schnabel des Monstervogels.
Er wartete.
Es sollte alles erst in die richtige Reihenfolge gebracht werden, bevor er seine Chance erhielt.
Das Vogelmädchen streckte seine Beine aus und berührte wenig später den weichen Sandboden.
»Ich bin da«, sagte sie.
Sina mochte den Sinn der Worte verstanden haben. Sie winkte Carlotta zu sich heran. In ihren Augen stand der böse Wunsch des Tötens, und Carlotta konnte sie nicht davon abbringen. Sie ging mit kleinen Schritten näher und merkte auch, wie stark ihre Knie zitterten.
Sina nickte. Sie war zufrieden. Noch immer hielt sie Maxine an der Kehle fest und auch von sich gestreckt. Aber sie hatte die linke Hand frei und deren Zeigefinger, deutete auf das Schwert.
Zu sagen brauchte sie nichts. Carlotta wusste auch so, was sie zu tun hatte. Vielleicht hätte sie zustoßen können, einfach die Schwertklinge in den Körper der Blonden bohren können, aber das brachte sie nicht fertig. Selbst wenn sie es geschafft hätte, dann wäre noch immer der verdammte Riesenvogel in der Nähe gewesen. Bei ihm glaubte sie nicht, dass er mit einem Schwertstreich zu töten war.
Deshalb stemmte sie die Klinge mit der Spitze kurz auf den Boden und kippte sie dann nach vorn.
Mit dem Griff gegen die Stiefel der Blonden gerichtet blieb das Schwert liegen.
Carlotta war wieder waffenlos, und darüber freute sich Sina, denn sie konnte ihr Lachen nicht zurückhalten. Noch hielt sie Maxine an der Kehle gepackt, aber ihr Arm ruckte zuerst nach innen und ihr selbst entgegen, und erst dann stieß er in die entgegengesetzte Richtung. Dabei ließ die Hand den Hals der Frau los.
Maxine hatte damit so schnell nicht gerechnet. Sie taumelte durch den Sand nach hinten und brachte es nicht fertig, sich auf den Füßen zu halten. Wieder fiel sie rücklings auf den Boden und wurde durch den Aufprall geschüttelt.
Mit einer schnellen Bewegung hatte Sina das Schwert wieder an sich gerissen und führte aus dem Handgelenk einen Streich, der beinahe noch das Gesicht des Vogelmädchens getroffen hätte.
Carlotta zuckte zurück, und die Blonde weidete sich an ihrer Angst.
Sie schrie ihr etwas zu, schüttelte dabei den Kopf, drehte sich dann und wandte sich Maxine zu.
Die Ärztin stand auf. Auch wenn es ihr schwer fiel, sie wollte nicht mehr so
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