123 - Auf dem Insektenthron
überwand den Rest mit einem Sprung. Cervo nahm ihm die Waffen ab und durchsuchte ihn gründlich.
Rulfan erkannte hinter Berto, an ein Mauerstück gelehnt, DeWitt und die anderen beiden, wie Pakete in weiße Spinnenseide eingeschnürt. Auch ihr Mund war verklebt, damit sie Rulfan nicht warnen konnten.
»Das ging aber schnell«, musste der Albino anerkennen.
»Wir sind wohl doch nicht mehr ganz fit.«
»Kein Wunder nach dem langen Kampf«, meinte Cervo.
»Eine beachtliche Leistung, das muss ich zugeben. Wir haben schon Wetten abgeschlossen, wie lange ihr durchhaltet. Aber nun könnt ihr aufatmen. Wir bringen euch zur Siedlung, dort könnt ihr euch erholen. Mostroo erwartet euch schon voller Spannung. Er hat eine Menge mit euch vor.«
»Dieser Mostroo…«, begann Rulfan, kam aber nicht weiter.
Bevor er reagieren konnte, sprangen ihn aus der Dunkelheit Spinnen an und wuselten über seinen Körper, wobei sie jede Menge klebriges Sekret versprühten. In weniger als einer Minute war Rulfan ebenso eingewoben wie die anderen; nur seine Beine waren noch frei.
Fröhlich gelaunt trieben Berto und Cervo die Gefangenen zurück durch das Trümmerfeld, in ein ganz anderes Gebiet, das weiter denn je von der Stadtgrenze und dem dort wartenden EWAT entfernt lag.
***
»Au!«, beschwerte sich Lisi. »Du zerquetschst ja meine Hand!«
»Entschuldige, Schätzchen.«
»Bist du auch so aufgeregt wie ich, Mama?«
»Mhm-hm.« Belles Herz schlug bis zum Hals, als die Fremden gebracht wurden. Ihre Arme waren mit Spinnenfäden auf den Rücken gefesselt. Sie stolperten, ständig um ihr Gleichgewicht bemüht, in die Siedlung.
Die Soldatenkäfer und die Riesenspinnen zogen sich bereits am Rand der Siedlung zurück, worüber Belle sehr dankbar war.
Diese unberechenbaren Kreaturen jagten ihr jedes Mal einen Schauer den Rücken hinab.
Sie konnte nicht verstehen, dass Mostroo sich so unbefangen mit ihnen abgeben konnte. Er war ein Mensch, kein Insekt, und konnte das Verhalten dieser mutierten Wesen weder je verstehen, noch steuern. Allerdings gab ihm der Erfolg bisher Recht.
Lisi zappelte an Belles Hand; sie schien drauf und dran, zu den Fremden zu laufen und sie zu betasten, ob sie wirklich da waren. »Ich hab noch nie andere Menschen gesehen!«, plapperte die Kleine aufgeregt. »Sie… sie sehen so… sauber aus. Schau mal, was für Sachen sie tragen…«
»Das sind Uniformen«, erklärte Belle.
»Schön…«, seufzte Lisi. Unwillkürlich zupfte sie an ihrem fleckigen, rissigen Hemd. »Der Mann da, schau mal, er hat blonde Haare, genau wie ich! Sieht mein Papa auch so aus?«
Belles Augen füllten sich mit Tränen. Lisis kindliche Begeisterung über die Abwechslung in diesem eintönigen, tristen Leben schmerzte sie. In diesem Moment wurde Belles größte Hoffnung erfüllt – endlich kam jemand von außerhalb und erfuhr von dem tragischen Schicksal der Menschen in dieser Siedlung. Aber zugleich wurde die Hoffnung auch zerstört, weil diese »Retter« ebenso Gefangene waren wie sie.
»Er sieht so stark aus«, schwärmte Lisi. »Mama, könnte er mein Papa sein?« Energisch riss sie an Belles Hand, um die Aufmerksamkeit der Mutter auf sich zu lenken, und sah mit großen Kinderaugen zu ihr hoch.
Hastig wischte Belle sich über die Augen. »Ja, Lisi. Dein Papa sieht so ähnlich aus. Er ist vielleicht nicht ganz so stark, und er trägt keinen Kampfanzug. Aber ansonsten stimmt alles.«
»Toll«, seufzte das Kind und verlor sich in Träumen. Dann riss Lisi die Augen auf und drängte sich enger an die Mutter.
»Mama, guck mal…«, wisperte sie. »Die Frau da… die hat ja oben rum gar nichts an…«
Nun musste Belle doch lächeln. In der Siedlung lief keine Frau so herum; im Gegenteil bemühte man sich aus verschiedenen Gründen um ein eher geschlechtsloses Aussehen. Zudem war Kleidung rar. Man trug alles, was man besaß, am Körper, egal ob es zusammenpasste oder nicht. »An manchen Orten ist das so üblich, Lisi.«
»Wirklich?« Lisis Stimme klang fast ehrfürchtig. »Was sind das für Zeichnungen?«
»Das sind Tätowierungen«, vermutete Belle. »Auf dem Rücken trägt sie ein Schwert, siehst du? Ich nehme an, dass sie eine Kriegerin ist.«
»Friert sie denn nicht, mit so wenig an?«
»Ich glaube nicht, Lisi. Eine Kriegerin ist eine sehr starke Frau, stärker als so mancher Mann.«
»Aber nicht als mein Papa!«
»Nein, wahrscheinlich nicht.«
Lisi gaffte die Frau weiterhin unverhohlen an, die anderen Fremden hatte sie
Weitere Kostenlose Bücher