1230 - Der Traumdieb
gegen seinen rechten Unterarm und brachte ihn aus der ursprünglichen Richtung.
Er schoss trotzdem.
Und er traf auch!
Allerdings nicht mich, sondern sich selbst. Durch den letzten Schlag hatte ich die Waffe so gedreht, dass die Mündung im Augenblick des Abdrückens auf den Kopf des Polizisten zeigte.
Die Kugel hatte niemand mehr aufhalten können. Sie war schräg in die Stirn des Mannes gejagt. Es war so etwas wie ein finaler Todesschuss gewesen. Der Polizist zuckte nicht mal zusammen. Er starb auf der Stelle und erschlaffte.
Ich lag über dem Toten und war noch nicht in der Lage, mich zu erheben. Ich spürte das innere Zittern, erlebte einen Schweißausbruch, dachte für einen Moment daran, dass dies alles nicht wahr sein konnte, und musste mich damit abfinden, dass es trotzdem den Tatsachen entsprach, denn das Gesicht dicht vor mir sagte alles.
Ich stand auf. Meine eigene Waffe hatte ich nicht gezogen. Es war alles zu schnell gegangen. Hinter mir stand der Rover noch immer mit eingeschalteten Scheinwerfern, und erst jetzt überfiel mich das Wissen, wie knapp es für mich gewesen war.
Hätte der Mann geschossen, als ich auf ihn zugegangen war, ich hätte nicht die Spur einer Chance gehabt, aber er hatte zu lange gezögert und es auf seine Art und Weise durchziehen wollen. Vielleicht auch, um auf Nummer Sicher zu gehen. Und es war ein Kollege gewesen.
Das genau brachte das Fass zum Überlaufen. Wieso ein Kollege? Warum hatte er mich töten wollen? Was hatte ich ihm getan? Nichts. Wir waren uns nie zuvor begegnet.
Mit noch sehr unsicheren Schritten ging ich zurück zu meinem Rover, öffnete die Tür und setzte mich auf den Fahrersitz.
Der Schuss war laut gewesen, aber niemand schien ihn gehört zu haben. Zumindest kümmerte sich kein Mensch darum. Die kleine Welt hier hatte sich nicht verändert, aber mir war klar, dass jemand die Jagd auf mich eröffnet hatte, der mehr Informationen über mich besaß als ich über ihn.
Ich hätte jetzt sagen können, dass zahlreiche Gegner für diesen Anschlag infrage kamen, aber soweit dachte ich nicht.
Denn es kristallisierte sich komischerweise ein Name hervor, und der hieß Barnabas Barker…
***
Fünfzehn Minuten später war ich nicht mehr allein. Da gab es auch keine Dunkelhe it mehr in der Umgebung. Nicht nur die Lichter der Streifenwagen warfen ihren Schein in die Dunkelheit der Nacht, um ihr einen schaurigen Anstrich zu geben, auch die ersten Scheinwerfer wurden aufgestellt, deren helle Kegel auf den toten Polizisten gerichtet waren. Ich hatte meinen Kollegen das Feld überlassen, saß wieder im Rover, dessen Fahrertür offen stand, und schaute hin und wieder auf den Mann, der neben mir stand. Es war mein Freund Suko, den ich als Ersten herbeitelefoniert hatte.
Aber er war nicht allein gekommen. Auch Shao, seine Partnerin, hatte die Wohnung verlassen. Sie stand ebenfalls in meiner Nähe. Ihren Oberkörper hatte sie in eine Windjacke gehüllt.
Die Kollegen wollten meine Aussage haben. Die machte ich so detailliert wie möglich. Man war zufrieden. Es war auch alles nachvollziehbar, und man würde sich um die Spuren kümmern.
Ich wollte auch nicht mehr sitzen bleiben, drückte mich in die Höhe und wurde von Shao und Suko flankiert.
»Kannst du Fragen beantworten, John?«
»Klar.«
»Gut.« Suko nickte.
Bevor er weiterhin etwas sagen konnte, kam ich ihm zuvor.
»Ich weiß, dass du nicht begreifen kannst, dass es ein Kollege war, der mich töten wollte.«
»War er denn ein Kollege?«, fragte Shao.
»Ja. Alles weist darauf hin. Es war keiner, der sich eine Uniform gestohlen hat, denn er war den Besatzungen der beiden Streifenwagen hier bekannt.« Ich schüttelte den Kopf.
»Es ist unfassbar. Da kommt der Mann auf mich zu, zieht seine Waffe und will mich töten. Einfach so.«
»Aber auch einfach ohne Grund?«
»Das genau, Suko, ist das Problem. Er muss einen Grund gehabt haben. Er kannte mich, ich kannte ihn nicht. Ich frage mich daher, warum das so gewesen ist.«
»Aus Spaß bist du ja nicht erst so spät zurückgekommen oder?«
»Genau das ist das Problem«, gab ich zu. Ich war noch nicht dazu gekommen, den beiden von meinen Erlebnissen der vergangenen Nacht zu berichten und begann mit dem Satz:
»Ich kam von den Conollys.«
»Nein!«
»Doch, Shao, aber ich war nicht bei ihnen, um mir mit Sheila und Bill einen schönen Abend zu machen. Das hatte schon andere Gründe, und ich kann behaupten, dass es dienstlich war.«
In den nächsten Minuten
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