1234 - Totensuche
sich aufgeraut. Er war nicht so glatt gegossen worden, sodass immer wieder Hindernisse hochstanden, über die ich leicht stolpern konnte.
Ich rechnete fest damit, dass sich die andere Seite zeigen würde. Ich ging einfach davon aus, mich auf dem Gelände des alten Friedhofs zu bewegen.
Noch zeigte sich dieser unheimliche Spuk nicht. Aber er war in der Nähe. Er lauerte auf seine Chance. Ich spürte es. Ich war mir sogar sicher. Ich hatte sie provoziert und mich durch sie nicht vertreiben lassen. Sie wussten, dass ich ein Gegner war, mit dem sie rechnen mussten. Ich war nicht so leicht zu besiegen, und diese Tatsache würde immer durch ihre Köpfe huschen.
Ich sah mich immer wieder sichernd um.
Als ich einen der anderen Einstiege erreichte, blieb ich stehen. Auch hier endete eine Treppe. Ich blickte den Schacht hoch, sah den Himmel, und er kam mir so unendlich weit entfernt vor.
Und dann erwischte mich die Kälte!
So war es immer. Sie konnten gar nicht anders, wenn sie ihre Welt verlassen hatten. Dieses eisige Gefühl floss über meinen Rücken hinweg und zog sich hoch bis hin zum Nacken.
Es war eine unnatürliche Kälte, obwohl sie mich von außen erreichte und nicht von innen. Man konnte sie schlecht beschreiben. Düsterpoetisch gesagt, war sie die Kälte des Todes, der ich mich entgegendrehte und dabei die Leuchte anließ.
Ich hatte den Schein so breit wie möglich gestellt, um einen großen Ausschnitt ausleuchten zu können, und das war auch gut so, denn so sah ich den Nebel.
Der Schein meiner Lampe glitt in ihn hinein. Er floss aus dem Boden, der unzählige Ritzen und Öffnungen zu haben schien, aus denen der unheimliche Dampf hervordrang. Dünn wie Fäden und zittriger Rauch verließ er die Tiefe und baute eine andere Welt auf.
Ich tat nichts, schaute einzig und allein zu. Das Grauen kam, aber es war auf eine bestimmte Art und Weise auch faszinierend. So etwas sah man oft in einem Gruselfilm, aber hier erlebte ich es in der Realität und musste zugeben, dass die Vergangenheit nicht gestorben, sondern sehr lebendig war.
Es waren keine Geräusche zu hören. Lautlos stieg der Nebel aus den dünnen Poren. Er verteilte sich in Wolken, die ständig eine andere Form annahmen, da sie sich laufend veränderten.
Der Nebel drang nicht nur aus einer Stelle aus dem Boden, sondern aus vielen anderen, sodass es nicht lange dauerte, bis er das gesamte Parkdeck erfüllt hatte.
Natürlich hatte er die Kälte der Totenwelt mitgebracht. In meiner Umgebung war die Temperatur merklich gefallen. Ich war nicht in der Lage, nachzumessen, aber ich konnte mir schon vorstellen, dass eine Schale mit Wasser eine Eisschicht bekommen würde, wenn man sie hier abstellte und davon ausging, dass es eine normale Kälte war.
Daran glaubte ich nicht.
Nein, sie war anders. Sie war dichter, kompakter. Sie war auf eine gewisse Art und Weise auch fremder für mich, und dieses Fremde hatte auch mich erreicht. Sie legte sich auf meine Hände und auf das Gesicht.
Ich strich mit der rechten Hand über meine Wange hinweg.
Da war sie wieder zu spüren. Eine kalte Schicht lag auf der Haut, als hätte es jemand geschafft, Öl gefrieren zu lassen.
Ich zitterte nicht. Ich fror auch nicht, wie es vielleicht normal gewesen wäre. Die Kälte kroch in meinen Körper hinein. Sie wollte dafür sorgen, dass ich meine Glieder nicht mehr bewegen konnte. Genau dagegen kämpfte ich an.
Ich wollte mich nicht steif machen lassen. Ich wollte in Bewegung bleiben, deshalb trat ich auf der Stelle, und ich bewegte auch die Arme. Das Licht fuhr hin und her. Es drang in den Nebel ein und verlor sich darin, aber es leuchtete an einigen Stellen auch heller auf. Das geschah immer dann, wenn ein hellerer Punkt innerhalb des Graus getroffen wurde, und das waren nun mal die skelettierten Gestalten, die den Boden so gut wie nicht berührten und durch den Nebel trieben.
Knochenkörper mit langen Armen und grässlichen Fratzen.
All die Magier und Schamanen, die im Laufe der langen Jahre hier gestorben waren und keine Ruhe gefunden hatten.
Es war kein ruhiger Nebel. Die Unruhe blieb immer bestehen, und ich konnte seine Ausbreitung mit einem lautlosen Brodeln vergleichen.
Noch hatte ich den Totenbegleiter nicht gesehen. Ich war mir allerdings sicher, dass er bald erscheinen würde, um seine Botschaft zu überbringen. Er wollte mich, er wusste, dass ich ein Feind war, und Feinde ließ einer wie er nicht am Leben.
Das Licht reichte zwar nicht bis in den Hintergrund des
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