1238 - Justines Blutfest
als im Gesicht. Eine knollige Nase, helle Brauen, aber Augen, die mich sehr wach anblickten und hellblau waren.
Der Alte trug eine dicke Jacke aus Cord und eine dunkle Hose. Sein Pullover zeigte eine schwarze Farbe, und zwischen seinen Stiefeln hatte er einen Gegenstand geklemmt, der für mich eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Kosmetiktasche besaß.
Ich hatte ihn vielleicht für die Dauer von drei bis vier Sekunden angeschaut und alles blitzschnell registriert, und musste jetzt zugeben, dass er auf mich keinesfalls unsympathisch wirkte. Im Gegenteil. Er war durchaus jemand, der genau wusste, wo es lang ging, das sagte mir vor allem der klare Blick.
Ich grüßte, als ich die Türschwelle verließ und in die Gaststube hineinging.
»Das ist mein Freund John Sinclair«, erklärte Suko. »Ich habe dir ja von ihm erzählt.«
»Ja, das sehe ich.«
»Und?«
»Er gefällt mir, denke ich.«
»Wunderbar.«
Der alte Mann streckte mir die Hand entgegen, die ich nicht übersah, sondern fest drückte. Auch sein Händedruck war nicht eben der lahmste, und während er mich noch festhielt, nannte er mir seinen Namen. »Du kannst mich Orson nennen, John. Ich heiße Orson Finley.«
»Okay.«
Nachdem er meine Hand losgelassen hatte, nahm ich auf einem Stuhl Platz. Orson griff zu seinem Glas, das er mit Whisky gut gefüllt hatte, und trank zwei Schlucke. Es kam mir vor, als wartete er darauf, dass ich ihn ansprach, und den Gefallen tat ich ihm gern.
»Ich glaube nicht, dass du vom Himmel gefallen bist wie ein Engel. Also gehe ich davon aus, dass du hier auf der Insel wohnst und nicht mit den Fischern hinausgefahren bist.«
»Das stimmt.«
»Gibt es einen Grund?«
Er nickte mir zu. »Ja, den gibt es natürlich, John, aber er hat nichts mit dem zu tun, was hier vorgefallen ist.«
Wenn er so redete, musste Suko ihn bereits eingeweiht haben, und er sah mir nicht aus wie jemand, der besondere Angst hatte. »Dann weißt du Bescheid?«, fragte ich sicherheitshalber nach.
»In der Tat.« Er trank wieder genussvoll. »Ich war mir sicher, dass es mal so kommen musste. Es konnte einfach nicht so weitergehen. Kein Geheimnis bleibt für immer und alle Zeiten verborgen.«
»Irgendwie sprichst du in Rätseln.«
»Das gebe ich zu. Aber ich möchte alles der Reihe nach berichten, meine Freunde. Ich habe den Eindruck, dass die Zeiten böser geworden sind, und damit meine ich nicht nur die schrecklichen Taten in New York. Ich sehe es allgemeiner und beziehe auch die Vergangenheit mit ein, die sehr alte Verga ngenheit. Sie ist verborgen, aber sie ist nicht vergessen, und ich denke, dass jetzt jemand gekommen ist, um sie wieder auszugraben.«
»Worum geht es denn dabei?«, erkundigte ich mich.
Der Alte schüttelte den Kopf. »Man darf nichts überstürzen. Was so lange begraben worden war, kann auch ruhig noch etwas versteckt liegen.«
»Alles klar oder auch nichts. Hast du mit Suko bereits über Justine Cavallo gesprochen?«
»Das habe ich.«
»Sehr gut…«
»Meinst du, dass sie das große Übel ist?«
»Ja, denn…«
»John«, sagte Suko und wollte meine Reaktionen zurechtrücken. »Du solltest etwas ruhiger sein, denn hier laufen die Uhren anders als bei uns. Was nicht immer schlecht sein muss.«
»In Ordnung, ich höre.«
Orson Finley lächelte, was ich nur daran sah, dass sich der weiße Bart bewegte. »Diese Person ist auf die Insel gekommen, weil sie etwas sucht, was bisher in den Annalen der Vergangenheit begraben liegt, aber ungemein gefährlich ist. Einige Menschen wissen davon, aber sie hüten sich, darüber zu sprechen. Doch es gibt nicht wenige, die der Meinung sind, dass er tatsächlich existiert hat, und das vor sehr, sehr langer Zeit. Aber keiner weiß, wo er begraben oder vergraben liegt, obwohl es ein Erbe gibt.«
Jetzt hatte Orson Finley einiges gesagt, doch schlauer war ich nicht geworden. Ich blickte Suko an und fragte: »Kannst du dir jetzt einen Reim darauf machen?«
»Nein.«
Der Alte schlürfte wieder seinen Whisky. Dann sprach er weiter und hatte sich auch nicht um unseren kurzen Dialog gekümmert, denn einer wie er ließ sich nicht beirren. »Ich rede von Dingen, die eine Legende sind. Ich habe nicht immer hier auf Coomb Island gelebt, sondern auch in den Highlands. Auch dort kennt man ihn, auch dort spricht man hin und wieder über ihn. Manche holen die Geschichte immer zu Halloween hervor, um andere Menschen zu erschrecken, denn er soll sehr grausam und auch sehr gefährlich sein.«
Ich konnte
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