1239 - Bilderbuch des Schreckens
Sie bleiben. Es ist mein Haus! Gut, ich habe Sie hereingelassen, aber mir steht auch das Recht zu, Sie wieder zu verabschieden. Warum sehen Sie das nicht ein?«
»Weil es etwas gibt, um das wir uns kümmern müssen!«, erklärte ich.
»Sie? Warum gerade Sie? Was hat das zu bedeuten?«
Bisher hatten wir ihr keinen reinen Wein eingeschenkt, was uns anging. Das änderte sich, denn ich holte meinen Ausweis hervor und Suko tat es mir nach. Wenig später rutschten die beiden Dokumente über die glatte Platte des Tisches hinweg auf die Frau zu, die sie mit dem Handballen stoppte.
»Was…was ist das?«
»Lesen Sie bitte«, verlangte Suko.
Janet Olden nahm beide Ausweise hoch, um sie sich anzusehen. Dann schüttelte sie den Kopf, als hätte sie nichts verstanden. Und doch sprach sie das aus, was wir erwartet hatten.
»Sie sind Polizisten von Scotland Yard?«
»Ja.«
Janet schaute mich an. Dann schob sie beide Ausweise wieder zurück. »Es ist hier kein Verbrechen geschehen, um das Sie sich kümmern müssten. Das kann ich versichern. Bitte, Sie…«
»Wir kümmern uns in der Regel auch nicht um normale Verbrechen«, klärte ich sie auf. »Wir sind praktisch eine 2-Mann-Spezialtruppe, und wir gehen ungewöhnlichen Fällen nach.«
»Ach.« Verwunderung schwang uns entgegen. »Und was sind das für Fälle?«
»Grob gesagt handelt es sich dabei um paranormale Fälle.«
»Ja, ich verstehe. Ich habe schon ein Buch übersetzt, das sich mit diesem Thema beschäftigte. Jagen Sie Geistern oder nicht erklärbaren Erscheinungen hinterher?«
»Das trifft zu«, sagte Suko. »So wird es Sie auch bestimmt nicht wundern, dass wir über diese seltsamen Gestalten gestolpert sind, die wir auf unserem Weg gesehen haben. Ich will nicht behaupten, dass es Geister gewesen sind, aber unsere Arbeit beschränkt sich auch nicht allein nur darauf. Diese Welt, in der wir uns von Berufs wegen aufhalten, ist oft sehr vielschichtig, und wir denken, dass sie auch hier Einlass erhalten hat, Mrs. Olden. Womöglich durch Ihren Sohn. Verstehen Sie nun, dass wir eigentlich bleiben müssen?«
»Ja und nein, Mr. Suko. Auf der einen Seite sehe ich es ein, auf der anderen nicht.«
»Wir bleiben trotzdem. Und Sie werden sich bestimmt sicherer fühlen.«
Janet Olden senkte den Kopf. »Ja, ich sehe schon, dass es keinen Sinn hat. Aber darf ich fragen, was Sie jetzt zu unternehmen gedenken? Sie werden doch sicherlich nicht hier sitzen bleiben und darauf warten, dass etwas passiert?«
»Nein«, sagte ich. »Sie müssen sich damit abfinden, dass Ihr Sohn vermutlich eine Rolle dabei spielt. Deshalb möchten wir seine Spur aufnehmen, das ist alles.«
»Aber er ist nicht hier. Das wissen Sie doch!« Ihre Stimme klang ärgerlich, und mit einem heftigen Ruck stand sie auf, setzte sich aber gleich darauf wieder hin und entschuldigte sich mit leiser Stimme.
»Das macht nichts, Mrs. Olden. Natürlich glauben wir Ihnen, dass Ihr Sohn sich nicht hier im Haus befindet. Aber wir würden gern mal sein Zimmer sehen, wenn dies möglich ist.«
Jetzt zeigte sie sich wieder erstaunt. »Ja, das ist möglich. Aber warum wollen Sie das?«
»Das will ich Ihnen genau sagen, Mrs. Olden. Oft findet man in dem Zimmer eines Menschen Hinweise auf ihn. Auf sein Verhalten, auf Gründe und Motive. Es kann sein, dass wir eine Spur finden, die uns zu seinem Aufenthaltsort bringt.«
»Ja, möglich, aber ich glaube nicht daran.«
»Trotzdem möchten wir das Zimmer gern sehen!« Ich blieb dabei.
Janet spielte auch mit. Sie stand langsam auf, schaute noch zu den beiden Fenstern, aber dahinter war nichts zu sehen, abgesehen von der Dunkelheit. Dann ging sie um den Tisch herum auf die Tür zu. »Darf ich vorgehen?«
»Bitte.«
Suko hielt mich zurück, um Distanz zwischen uns zu bekommen. »Traust du ihr?«, fragte er flüsternd.
»Was soll ich sagen? Sie macht einen kooperativen Eindruck, sage ich mal.«
»Richtig. Nur werde ich den Eindruck nicht los, dass Sie uns etwas verschweigt, und genau das finde ich nicht gut. Wie gesagt, ich habe keine Beweise, ich verlasse mich da eben auf mein Gefühl.«
»Okay, wir warten es ab.« Ich lächelte. »Der Mann ist verschwunden und jetzt auch der Sohn. Ein wenig viel, finde ich auch.«
»Eben, John. Und wie eine Trauernde kommt mir Janet Olden auch nicht vor…«
***
Tommy Oldens Zimmer lag oben, und so lernten Suko und ich Teile des Hauses kennen, das auch von innen nicht gerade repräsentativ wirkte, sondern verwinkelt gebaut war. Dazu
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