1240 - Das Knochenkreuz
war mittlerweile auch in Tschechien kalt geworden. Der Winter hielt Einzug in Europa, und ich hatte den Eindruck, dass es sogar nach Schnee roch. Für November kein Problem.
Aber es würde auch wieder besseres Wetter geben.
Wir blieben am Gepäckband stehen und warteten auf unsere beiden Reisetaschen.
Auch andere Fluggäste standen zusammen. Einige unterhie lten sich miteinander, andere sprachen in ihre Handys. Wieder andere waren einfach nur stumm und starrten wie hypnotisiert das sich bewegende Gepäckband an.
Wir würden also ein Knochenkreuz besuchen. Ich dachte dabei auch an den Knochensessel, der bei den Templern in Südfrankreich stand. Ob es zwischen den beiden so ungewöhnlichen Gegenständen wohl eine Verbindung gab? Möglich war alles.
»John Sinclair? Suko…?«
Hinter unserem Rücken hörten wir die fragende Frauenstimme und drehten uns zugleich herum.
»Ja…«
Die Frau streckte uns ihre rechte Hand entgegen. »Ich bin Annica Dobel, und mich hat man geschickt, um Sie beide abzuholen. Wir sind Kollegen.«
»Das freut mich«, sagte ich und lächelte, denn Annica Dobel bot wirklich einen erfreulichen Anblick.
Das braune Haar hatte sie kurz und stufig geschnitten. Es umrahmte ein noch etwas mädchenhaft wirkendes Gesicht, bei dem die dunklen Augen hinter Brillengläsern zu sehen waren.
Eine schmale Brille mit einem dunklen Gestell. Rot dagegen waren die Lippen geschminkt, unter denen sich ein rundes Kinn abzeichnete.
Annica Dobel trug Jeans, die an den Beinen Metallschmuck aufwiesen. Eine braunrote, bis zu den Hüften reichende Lederjacke hatte sie über einen schwarzen Pullover gestreift, dessen Rollkragen etwas vom Hals abstand.
Wir gaben ihr die Hand und sahen, dass sie nickte. »Ich bin eine Kollegin von Ihnen.« Sie zeigte uns ihren Ausweis, »und ich werde an Ihrer Seite bleiben.«
»Wie lange?«, fragte ich.
»So lange wie es nötig ist.«
»Dann begleiten Sie uns zur Kirche, nehme ich an.«
»Genau so ist es«, erklärte sie fast fröhlich, »und ich denke, dass ich Ihnen helfen kann, denn der Zufall spielt manchmal eine wichtige Rolle im Leben.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Suko.
Annica hob die Schultern. »Ich stamme zufällig aus dem Ort, der so interessant für Sie ist. Ich bin da geboren worden und aufgewachsen. Nach Prag kam ich erst später.«
Das war wirklich ein Zufall. Suko und ich schauten uns so erstaunt an, dass Annica zu lachen begann. »Sie sehen aus, als würden Sie mir nicht glauben.«
»Doch, doch«, versicherte ich ihr. »Ich wundere mich wirklich nur über den Zufall. Das ist ein Ding, muss ich ehrlich sagen. So etwas haben wir auch noch nicht erlebt.«
»Tja, das Leben steckt voller Überraschungen.«
»Können Sie wohl sagen.«
Da unsere Reisetaschen uns schon fast passiert hatten, griffen wir im letzten Augenblick zu, und die Kollegin Dobel hatte noch etwas zu sagen.
»Wir kennen uns zwar noch nicht lange, aber hier bei uns ist es üblich, dass sich die Kollegen untereinander duzen. Ich denke, wir sollten auch für uns diese Sitte beibehalten. Oder?«
Wir waren einverstanden.
Jeder von uns erhielt von ihr einen KUSS auf die Wange, und alles sah hier so locker aus. Als hätten sich hier Menschen getroffen, die bereit waren, eine Ferienreise anzutreten und nicht, um sich gefährlichen dämonischen Kräften zu stellen.
Wir mussten noch durch Pass- und Zollkontrolle, doch dank Annica gab es da keine Probleme.
»Dein Name klingt nicht eben tschechisch«, sagte ich.
»Bei mir kommen zwei Länder zusammen. Böhmen und Österreich. Das findet man hier öfter.«
»Stimmt. Und wie sieht es aus?«
»Ich habe ein Fahrzeug. Einen Opel Vectra. Ich denke, damit kommen wir gut voran. Auch hier hat sich einiges getan, nachdem der Eiserne Vorhang gefallen ist.«
»Da hast du Recht.«
»Ihr seid schon mal im Land gewesen?«
»Ja, einige Male.«
»Und?«
»Wir hatten Glück.«
»Also dienstlich?«
»Genau«, sagte ich.
Herbstwetter empfing uns. Der Wind war böig und biss in unsere Gesichter. Ich stellte den Kragen meiner Jacke hoch, als wir zum Parkplatz gingen, auf dem der Vectra stand.
Von Prag aus mussten wir nach Westen fahren, auf die deutsche Grenze zu.
»Es ist ja nicht sehr weit«, sagte Annica. »Wie wäre es, wenn wir erst noch einen Kaffee trinken?«
Damit waren wir einverstanden. Annica führte uns zu einem kleinen Lokal, das mehr einem Bistro glich. Dort schenkte man Wiener Kaffee aus. Es gab da einen Braunen, einen Melange, einen
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