1249 - Bibliothek des Grauens
Sohnes.«
Asher winkte barsch ab. »Hören Sie doch auf, Mann. Lassen Sie meinen Sohn in Ruhe. Er ist noch ein Kind. Zehn Jahre alt, überlegen Sie mal. Was er gesehen hat, das hat er sich eingebildet. Das ist seiner kruden Fantasie entsprungen. Ein fliege nder Killer oder ein Engel, der mordet. Wo gibt es denn sowas?«
»Sie glauben gar nicht, was es alles gibt, Mr. Asher!«
»Ha.« Er stierte mich an und schüttelte ungläubig den Kopf.
»Dann glauben Sie dem Jungen?«
»Das habe ich nicht gesagt. Ich glaube ihm so lange, bis das Gegenteil bewiesen ist.«
»Sehr schön. Aber lassen Sie mich damit bitte in Ruhe. Und Robby übrigens auch. Ich will nicht, dass er über die schreckliche Sache redet. Das hat auch der Arzt gesagt. Es wird dauern, bis er das Schreckliche verkraftet hat. Erst danach kann man ihn behutsam befragen, aber unter fachlicher Aufsicht, bitte.«
»Danke für den Ratschlag.«
Er wusste nicht, ob ich es ehrlich gemeint hatte oder ihn nur leicht auf den Arm nahm. Mehr aus Verlegenheit blickte er seine Uhr an.
»Ich denke, dass die Fragen geklärt worden sind. Sollte es noch welche geben, stehe ich Ihnen gern zur Verfügung. Ansonsten habe ich zu tun, Mr. Sinclair. Sie wissen ja, wo Sie mich finden.«
»Natürlich.« Mit ihm zusammen verließ ich die Bibliothek.
An der Haustür fiel mir noch etwas ein. »Eine kleine Sache noch, Mr. Asher.«
»Bitte?«
»Ist Ihre Frau über meinen tatsächlichen Beruf eigentlich eingeweiht worden?«
»Von mir nicht.«
»Danke, das wollte ich nur hören.«
Er zischte ab, und ich schaute ihm nach, wie er mit federnden Schritten enteilte. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass er froh war, seinen Vater losgeworden zu sein, denn jetzt war er der Chef auf Gut Asher, zu dem viel Land gehörte, das sich auch gut verkaufen ließ. Aber das waren alles Spekulationen meinerseits, die jeglicher Grundlage entbehrten.
Allein blieb ich zurück und stellte erst jetzt richtig fest, wie ruhig es in diesem Haus war. Die Stille umgab mich wie ein großer Vorhang.
Ich holte mein Handy aus der Tasche und hatte sehr schnell eine Verbindung zu Suko hergestellt.
»Ach, du Glücklicher«, sagte er.
»Wieso das denn?«
»Ich hocke hier in einem kleinen Büro, während du ein ganzes Haus für dich hast und damit vor allen Dingen Platz.«
Ich schaute mich beim Telefonieren um und antwortete: »Wir können gern tauschen, denn so super ist es hier wirklich nicht. Es ist sogar ziemlich trist.«
»Hast du denn wenigstens was herausgefunden?«
»Ja, habe ich.«
»Und?«
»Dass dieser Donald Asher ein ziemlich arroganter Knochen ist.«
»Stört dich das?«
»Bis jetzt nicht.«
»Und was ist mit dem anderen Untermieter?«
Ich lachte leise. »Auf den bin ich gespannt. Ich werde dich informieren, wenn es soweit ist.«
»Ausgezeichnet. Ich bleibe dann in Lauerstellung und habe mir eine Aufgabe vorgenommen.«
»Super. Welche denn?«
»Sir James brachte mich auf die Idee. Ich werde mal versuchen, heraus zufinden, ob irgendwo etwas über die nette Familie Asher geschrieben steht. Der alte Asher wurde getötet. Hast du bisher schon einen Mord ohne Motiv erlebt?«
»Nein, das nicht.«
»Eben. Und da gibt es dann was zu bohren für mich. Ansonsten erschrick kein Schlossgespenst mit deinem Anblick.«
Bevor ich noch etwas erwidern konnte, hatte Suko die Verbindung unterbrochen.
***
Ich wollte eigentlich auf mein Zimmer gehen und hatte schon die Tür erreicht, als ich es mir anders überlegte. Daran trug wieder mal meine Neugierde die Schuld, denn ich dachte an die zweite, die schmalere Treppe, die noch weiter nach oben führte. Solange ich mich allein im Haus befand, konnte ich mich sorglos umschauen. Wenn Dominic Trenton zurückkehrte, sah das schon anders aus.
Deshalb ging ich an meiner Zimmertür vorbei und steuerte das Ende des Flurs an. Den Gemälden an der Wand warf ich keinen Blick zu. Nur vor dem letzten Bild blieb ich für einen Moment stehen. Aus ihm hervor schaute mich ein Männergesicht an, das zum Fürchten aussah. Besonders der Ausdruck in den Augen. In der Ahnenreihe der Ashers schien es nicht nur nette Menschen gegeben zu haben.
Die Treppe war schmal. Sie passte nicht zu dem Bau. Zudem kam sie mir vor, als wäre sie nachträglich angelegt worden, weil man sie zuvor vergessen hatte.
Bei der ersten Entdeckung hatte ich gedacht, dass sie mit Staub bedeckt war. Das stellte sich als Wahrheit heraus, aber ich sah auch Spuren, und das nur, weil ich das Licht
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