1250 - Absalom
und die Vergangenheit ihre Spuren hinterlassen hat. Aber ausgerechnet Gent?« Ich schüttelte den Kopf. »Das ist wirklich ein weiter Sprung nach vorn und für mich ins Leere hinein.«
»Es wird dir nicht mehr so leer vorkommen, wenn ich es dir erklärt habe, John.«
»Darauf bin ich gespannt.«
Das war wirklich nicht gelogen, denn bisher hatten mich meine Fälle, die sich um die Templer drehten, mehr in den Süden geführt. Aber ich ging in diesem Fall davon aus, dass sie auch im mittleren Europa ihre Spuren hinterlassen hatten. Dort waren Komtureien gegründet worden, mit denen ich in der Vergangenheit auch konfrontiert worden war. Lief da jetzt wieder einiges zusammen?
Absalom merkte, dass ich mit meinen Gedankengängen so ziemlich am Ende war, und ich bekam von ihm nun den zweiten und wesentlich konkreteren Hinweis.
»In dieser Stadt gibt es berühmte Kirchen. Eine davon ist die Kathedrale Sint-Baafs. Sie wurde im Jahre 1432 vollendet. Ein herrliches Bauwerk. Aber noch berühmter ist das, was die Brüder van Eyck dort geschaffen haben. Erinnerst du dich?«
Ich wusste nicht, an was ich mich da erinnern sollte. Nun ja, ich besaß schon eine gewisse Allgemeinbildung, und irgendwo tief in meinem Kopf vergraben, da klickte es auch, aber die Lösung kam mir nicht in den Sinn. Deshalb zuckte ich die Achseln.
»Ich könnte ja nachforschen und nachlesen, aber das ist wohl nicht Sinn der Sache.«
»Genau, das ist es nicht.«
»Dann höre ich gern zu.«
»Es ist der berühmte und auch sehr große Genter Altar. Er ist für dich wichtig. An ihn musst du dich halten, um eine erste Spur zum Grab der Maria Magdalena zu entdecken. Du wirst dir den Altar genau anschauen müssen, nicht als Gesamtkunstwerk, sondern nur einen Detailausschnitt. Dort können dir dann die Augen geöffnet werden.«
»Welchen meinst du?«
»Die Szene mit dem Lamm…«
Ich nickte. »Und was kannst du mir sonst noch darüber sagen?«
»Es reicht, John.«
War das wenig? War das viel? Dies zu beurteilen musste ich ihm zunächst überlassen. Ich konnte zumindest froh sein, den Hinweis bekommen zu haben. Der Begriff »Lamm« ließ vieles zu, wenn man die christliche Lehre und deren Mystik durchforstete. Da konnte es schon kompliziert werden.
Zum ersten Mal wurde mir richtig bewusst, dass ich vor einer schwierigen Aufgabe stand. Dennoch nahm ich sie locker, bewusst locker, denn darauf zielte meine nächste Frage hin.
»Ist das alles, was ich zu tun habe?«
Absalom runzelte die Stirn. »So etwas darfst du nicht fragen, John Sinclair. Es ist ein Anfang. Und ich will dir noch etwas sagen. Du musst damit rechnen, dass du nicht allein bist, denn andere haben die Spur ebenfalls aufgenommen. Sie sind wie Bluthunde, die sich nicht aufhalten lassen, wenn sie etwas erreichen wollen.«
»Andere sind die falschen Templer.«
»Van Akkeren steht nicht allein. Er hat Zeit genug gehabt, sich vorzubereiten. Vergiss das nicht.«
»Du rechnest damit, dass ich ihn in Gent treffe?«
»Es ist möglich.«
»Okay, dann kürzen wir es ab. Du bist in der Lage, die Zeiten zu überbrücken. Wie wäre es denn, wenn du mich zu van Akkeren schaffst. Dann könnte ich endlich ein gewisses Problem lösen. In der Auseinandersetzung zwischen uns beiden.«
Absalom lächelte und schüttelte zugleich den Kopf. »Vergiss nicht, John, dass ich nicht allmächtig bin. Auch hier sind Regeln gesetzt worden. Aber für dich ist es wichtig, wenn du nach Gent fährst und dir den weltberühmten Altar anschaust. In diesem Bild ist ein Hinweis versteckt, den du finden musst. Und zwar vor van Akkeren. Das ist der Anfang des Weges, der dich zum Ziel führen wird.«
Ich glaubte ihm. Er war nicht erschienen, um mich hier reinzulegen. Absalom mochte sein, wer er wollte, aber er war kein Freund des Gruselstars. Sein Interesse deckte sich mit dem meinigen, und so blieb mir nichts anderes übrig, als zuzustimmen, denn ich wollte und musste jede Chance nutzen, um an van Akkeren heranzukommen.
»Ich bin einverstanden«, erklärte ich. »Dann werde ich jetzt von hier verschwinden, packen und…«
»Nein, John Sinclair. Du wirst nicht packen. Dafür wird dir die Zeit nicht bleiben.«
»Warum das denn nicht?«
»Weil du so schnell wie möglich nach Gent musst. Es eilt, und ich bin nicht grundlos hier.«
Ich begriff. Es war klar. Er beherrschte das Reisen durch die Zeit. Er würde es auch schaffen, mich nach Gent zu bringen. So ähnlich wie es auch meine Freunde Myxin und Kara schafften, mit den
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