1257 - Gezeichnet durch den Höllenfluch
verflucht!«
Francis Gallo stand mit dem Kind auf dem Arm da, ohne sich zu bewegen. Es war ihm einfach nicht möglich. Er konnte nichts tun. So etwas hatte er noch nie erlebt.
»Verflucht bist du!«, brüllte sie wieder. »Verflucht bis an dein Lebensende! Niemand nimmt der Hölle etwas weg, auch ein Pfaffe nicht!«
Es waren ihre letzten Worte, denn sie zog sich zurück. Das Kind und auch der Pfarrer waren für sie nicht mehr interessant. Sie drehte sich herum und schritt mit schwankenden Bewegungen gegen das hemmende Wasser an, um in den See hineinzugehen und nicht zum rettenden Ufer hin.
Der Pfarrer tat nichts. Er stand da. Er hielt das Kind fest. Der Blick war wieder auf den Rücken der Frau gerichtet, deren Namen er nicht mal kannte. Und er traf auch keine Anstalten, sie zurückzuhalten.
Sie hatte sich ihr Schicksal selbst ausgesucht.
So schaute er zu, wie sie immer tiefere Stellen erreichte und kleiner wurde. Es war abzusehen, wann die Wellen über ihrem Kopf zusammenschlagen würden.
Francis erschrak über sich selbst. Er dachte nicht mal darüber nach, der Frau nachzulaufen, um sie zu retten. Er schaute einfach zu, wie die ersten Wellen ihren Hals erreichten, dann den Kopf und wenige Schritte später über der Frau zusammenschlugen.
Der See hatte sie verschlungen!
Gallo tat noch immer nichts. Er hielt seinen Blick starr auf die Stelle gerichtet, an der es passiert war.
Und dort veränderte sich die Farbe des Wassers. Wieder sah er diesen ungewöhnlichen blauen und sehr kalten Schein, der sich für einen Moment auf den Wellen abzeichnete, aber keine Fratze mehr bildete.
Trotzdem war er davon überzeugt, dass der Teufel seine Dienerin zu sich in die Hölle geholt hatte…
Wie lange er dann auf dem Fleck gestanden hatte, wusste er selbst nicht zu sagen. Erst als der blanke Himmel den Menschen das Funkeln der Sterne zeigte und auch das Kind auf seinen Armen einen leisen Laut ausstieß, da kam Bewegung in ihn.
Francis Gallo fühlte sich wie aus einem langen und tiefen Traum erwacht. Er konnte noch immer nicht begreifen, was er erlebt hatte, aber er wusste zugleich, dass er nicht geträumt hatte. Der kleine Junge in seinen Armen war das beste Beispiel dafür.
Er musste sich bewegen, und er musste darüber nachdenken, was er durchlitten hatte. Hinzu kam der Junge, denn ab jetzt hatte er für das Kind die Verantwortung übernommen.
Er schaute in das kleine Gesicht. Die Augen standen offen, der kleine Mund zuckte, wahrscheinlich hatte er Hunger, aber Gallo wusste nicht, was er mit dem Kleinen anfangen sollte.
»Ja, ja«, flüsterte er und bemühte sich um ein Lächeln. »Wir beide werden schon für dich das Richtige finden. Das verspreche ich dir hoch und heilig.«
Was das Richtige war, wusste er selbst nicht. Für ihn stand nur fest, dass er den Kleinen nicht behalten konnte, denn ihm fehlte die Frau. Allein würde er ihn nicht erziehen können.
Mit dem Kind auf dem Arm machte er sich wieder auf den Rückweg. Auch jetzt schaute er des Öfteren über den kleinen See hinweg, nur diesmal aus anderen Gründen, aber er sah nichts mehr. Das Licht war und blieb verschwunden. Ebenso wie die Mutter des Kleinen.
Den Namen kannte er nicht. Er wusste wohl, dass sie eine Banshee war. Irische Hexen oder Totenfrauen wurden Banshees genannt, aber so recht wusste er das auch nicht. Es war auch zu diesem Zeitpunkt nicht wichtig, denn für ihn zählte einzig und allein der Junge, der in sichere Obhut gebracht werden musste.
Den Pflegeeltern würde er nicht die ganze Wahrheit sagen. Er würde von einem Findelkind sprechen, und er hatte sich schon eine Familie aus dem Ort ausgesucht.
Es waren die Mortons. Ein Ehepaar, das sich schon immer Kinder gewünscht hatte, was ihm aber leider verwehrt worden war. Beide sehnten sich nach Kindern, und wenn sie den Kleinen wirklich zu sich nahmen, dann würde er es gut bei ihnen haben.
Er ging erst gar nicht in sein kleines Haus, sondern setzte sich sofort in seinen Wagen und fuhr zu den Mortons hin, die noch nicht im Bett waren, sondern bei diesem warmen Wetter im Garten saßen und die Nacht genossen.
Als er vor ihnen stand, das Kind in den Armen hielt, das jetzt weinte, weil es hungrig war, brauchte er nicht viel zu sagen. Mrs. Morton stand auf, nahm ihm den Kleinen ab, und so konnten die beiden Männer allein sprechen, denn die Frau verschwand mit dem Findling in der Küche.
Francis Gallo brauchte keine große Überzeugungsarbeit zu leisten, die Mortons waren sofort damit
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