1258 - Der Leichen-Skandal
zuwandte. Er zupfte seine Jackettschöße zurecht wie jemand, der auf der Bühne steht und sich durch die Bewegung auf seinen Auftritt vorbereitet.
»Der Star kommt«, murmelte Suko.
»Okay, ich freue mich.«
»Führung?«, fragte Frost.
»Aber sicher.«
»Sehr gut.«
Dave Frost knipste wieder sein Lächeln an. Er ging forsch, und ich konzentrierte mich auf seine Augen, die kalt blieben. Dieses Lächeln wirkte einfach nur aufgesetzt, und das wiederum ärgerte mich.
Er konnte alle möglichen Leute für dumm verkaufen, bei mir allerdings hatte er sich geschnitten. Das Gleiche galt auch für Suko und Helen Carver. Sie mochten den Mann ebenfalls nicht.
Abel Grange hatte noch mit den Besuchern zu tun. Er verteilte sogar Werbematerial, während Dave Frost sich bei uns schon vorgestellt hatte und uns seine Hand reichte.
Er erfuhr auch unsere Namen, und ich erklärte ihm den Grund, weshalb wir gekommen waren.
Ob er ihn mir abnahm, mussten wir zunächst abwarten. Jedenfalls schaute er Helen Carver etwas länger an und hob dabei den rechten Zeigefinger. »Ist es möglich, dass ich Sie hier schon mal gesehen habe?«
Damit hatte Helen nicht gerechnet. Sie wurde unsicher und schaute Suko an.
»Ja, das ist möglich«, sagte mein Freund. »Mrs. Carver hat hier ihren Mann kremieren lassen.«
»Ah ja. Und was haben Sie mit ihr zu tun?«
»Ich bin ein Freund der Familie und hatte zufällig Zeit. So wollte ich mich hier umsehen.«
»Ja, ja, man kann nie wissen, nicht wahr? Manche Menschen landen schneller bei mir als sie es sich je vorgestellt haben. Das entspricht oft den Tatsachen. Aber womit kann ich Ihnen diesmal helfen?«
»Wir möchten uns umschauen«, sagte Suko.
Frost nickte. Er war nur nicht überzeugt. Auch das Lächeln wurde weniger. »Im Prinzip verstehe ich das ja. Nicht grundlos führe ich die Besichtigungstouren durch, doch in diesem Fall bin ich schon etwas überrascht, muss ich gestehen.«
»Warum?«
»Sie kennen die Räumlichkeiten doch, Mrs. Carver…«
»Nein, ich kenne sie nicht. Ich bin nicht mit einer dieser Busladungen gekommen. Ich war privat bei Ihnen. Sie haben mit mir gesprochen und mir einiges erklärt. Aber eine Führung, wie sie mit den Bustouristen durchgeführt wurde, gab es bei mir nicht. Ich habe erst später darüber nachgedacht. Ich war dann schon leicht geschockt, als ich meinen verstorbenen Mann herbringen ließ. Ich holte später die Urne ab. Da waren Sie nicht da, Mr. Frost, und ich habe mich nicht getraut, um eine Führung zu bitten. Das sehe ich heute anders. Auch ich werde irgendwann bei Ihnen landen, und ich wollte meinem Neffen die Umgebung zeigen, in die er mich später einmal schaffen wird.«
Frost nickte. »Verstehe, Mrs. Carver. Sie denken da an eine private Führung durch mein Reich?«
»Genau das ist es.«
»Hm.« Dave Frost gab zunächst keine Antwort. Er nagte an seiner Unterlippe. Er schaute uns nicht nur an, er versuchte sogar, uns mit seinen Blicken zu sezieren. Wir ließen uns nichts anmerken. Niemand kann hinter die Stirn eines Menschen blicken.
»Bitte, Mr. Frost, es wäre für mich sehr wichtig, wenn Sie uns kurz die Räumlichkeiten zeigten.« Sie deutete auf mich. »Wissen Sie, ich habe ziemlich lange Überzeugungsarbeit leisten müssen, denn mein Neffe stemmte sich dagegen. Er ist mehr für die traditionelle Art des Begräbnisses, auch jetzt noch, und da dachte ich…«, sie zuckte mit den Schultern. »Wenn er das hier sieht, wird er seine Meinung vielleicht ändern.«
Dave Frost schaute mich spöttisch an. »Stimmt das, was Ihre Tante gesagt hat?«
»Im Prinzip schon.«
»Sie sollten wirklich mit der Zeit gehen, Mr. Sinclair. Wenn die Menschheit sich immer stärker vermehrt, wird es bald keinen Platz für Friedhöfe mehr geben. Oder es steigen die Preise. Sie müssen umdenken. Sie und viele andere. Das Kremieren ist dann noch immer die beste Lösung von allen. Glauben Sie mir.«
»Ich bin dabei.«
Dave Frost überlegte. Er schaute wieder auf seine Uhr. »Gut«, sagte er dann, »ich werde Sie führen. Aber es wird leider ein Schnelldurchgang werden, denn ich habe noch einiges an Bürokram zu erledigen. Da fällt noch immer sehr viel an.«
»Das verstehen wir sehr gut, Mr. Frost«, sagte Helen Carver. »Vielen Dank für Ihre Mühe.«
»Gut, ich sage dann noch kurz meinem Mitarbeiter Bescheid. Danach können wir gehen.«
»Okay.«
Er ließ uns allein zurück. Wir schauten uns gegenseitig an. Keiner von uns hatte dabei ein gutes Gefühl, das
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