1262 - Die Sauger
Keller handelte, im Prinzip waren sie alle gleich angelegt worden.
Da erlebte ich auch hier keine Ausnahme, denn die Treppe mündete in einen Gang. Es kam immer nur darauf an, wohin ein solcher Gang führte. Hier hatte ich die Auswahl, denn ich stand vor einem Quergang. Ich konnte ihn nach rechts, aber auch nach links gehen, da musste ich mein Gefühl entscheiden lassen. Ich leuchtete zuerst den rechten Gang ab. Der schmale Weg lag zwischen den schmutzigen Wänden, und auf dem Boden hatten sich Dreck und Staub jahrelang sammeln können.
Das Zeug war auch so geblieben, denn es zeichneten sich keine frischen Spuren ab.
Ich drehte mich zur linken Seite hin und tat dort das Gleiche wie an der anderen.
Ja, es stimmte. Ich hatte den Weg gefunden, den Jamiel gegangen war. Auf dem Boden sahen die Abdrücke noch frisch aus. Manche deutlich, andere verwaschen. Hier war er hergegangen, und er hätte sich eigentlich melden müssen, denn bei mir war zumindest das Licht der Lampe zu sehen.
Warum hatte er das nicht getan?
Mein Misstrauen verstärkte sich. Es verwandelte sich in das Gefühl, in eine Falle gelaufen zu sein oder kurz davor zu stehen.
Auf meinem Rücken wollte die Gänsehaut nicht weichen. Mein Herz schlug schneller. Jeder Schlag kam mir zudem überlaut vor, sodass ich das Gefühl hatte, es könnte meterweit zu hören sein.
Ich wartete ab.
Sekunden vergingen, dehnten sich in die Länge, aber von Jamiel war weder etwas zu hören noch zu sehen. Er hielt sich zurück oder wurde zurückgehalten.
Ich wollte nicht länger auf dem Fleck stehen bleiben und setzte mich in Bewegung. Dabei hielt ich mich dicht an der linken Wand und versuchte zudem, so leise wie möglich zu gehen.
Es war niemand da, was mich störte. Keine Ratte, keine Käfer, die über die Wände krabbelten, keine Fliegen. Aber ich wusste nicht, wo dieser Kellergang endete. Zwar hatte ich nach vorn geleuchtet, doch ich hatte dabei einfach zu sehr auf die Spuren auf dem Boden geachtet. Jetzt bildete das Ende des Strahls einen kleinen Kreis rechts neben mir.
Ich riskierte es und rief nach Jamiel.
Zuerst recht leise, dann, als ich keine Antwort erhielt, lauter. So konnte er mich auch im letzten Winkel des Kellers verstehen, doch die Antwort blieb aus. Ich wäre schon mit einem Stöhnen oder einem anderen Laut zufrieden gewesen, aber auch der blieb aus.
Jamiel musste etwas passiert sein. Das stand jetzt für mich fest. Vermutlich hatte er sich überschätzt und zu stark auf das Kreuz vertraut. Ich hätte ihn warnen sollen, dass es nicht alle Probleme löste.
Wo steckte er? Hatte man ihn fortgelockt? In der Dunkelheit sah ich da, nicht. Also brauchte ich das Licht, auch wenn es ein Risiko war. Es lag auch im Bereich des Möglichen, dass man mich schon längst entdeckt hatte und ich mir jetzt selbst etwas vormachte.
Ich ging das Risiko ein und veränderte die Richtung des Lichtstrahls. Nach einer knappen Handbewegung stach er nach vorn. Diesmal blieb er über dem Boden, und ich sah auch ein Ziel.
Es war das Ende des Kellergangs. Auf einer schmutzigen Wand malte sich der Lichtkreis ab.
Das erschreckte mich nicht.
Es war etwas anderes, das mir fast das Blut in den Adern gefrieren ließ. Ich sah Jamiels Kopf, und der schaute aus dem Boden hervor…
***
Der Anblick war so unglaublich und schockierend für mich, dass ich mich im ersten Moment nicht von der Stelle rühren konnte. Das war ein Albtraum an sich, denn da war tatsächlich nur der helle Kopf zu sehen und nicht der Körper. Man schien den Kopf vom Körper getrennt zu haben, um ihn dann wie ein Geschenk abzulegen.
Das war ausgerechnet Jamiel passiert, demjenigen, der immer so vorsichtig gewesen war.
Ich war noch immer von der Rolle. Nur allmählich löste sich meine Erstarrung. Ich merkte auch, dass die Wärme zurück in meinen Körper kehrte.
Durch die Nase blies ich die Luft aus. Ich beging nicht den Fehler, wie ein Wilder auf Jamiel zuzulaufen, sondern drehte mich auf der Stelle um, weil ich erfahren wollte, ob die Luft in meiner Nähe rein war.
Sie war es, denn der Lampenstrahl holte kein anderes Ziel hervor. Nur der helle Kopf lag weiterhin auf dem Boden. Bereits das erste Haus war zu einer verdammten Falle geworden, da hatte auch unsere Vorsicht nichts genutzt.
Länger hier stehen zu bleiben, hatte keinen Sinn. Ich leuchtete noch einmal an der Decke entlang und auch über die Wände hinweg, dann ging ich auf den Kopf zu.
Natürlich mit sorgsam gesetzten Schritten. Keinen Fehler
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