1262 - Die Sauger
tatsächlich gegenseitig ausgelöscht?
»Das ist sie«, flüsterte Jamiel. »Ja, das ist sie.«
Ich konnte ihn nicht mehr zurückhalten. Er war einfach zu schnell und lief auf die Körper zu.
Ich zog noch meine Waffe, bevor ich ihm folgte, und brüllte: »Vorsicht!«
Da war die Cavallo schon auf den Beinen. Und wie sie hochfegte. Dabei hörten wir den Schrei oder den Fauchlaut, als sie den Engel angriff. Er stand zwischen ihr und mir, sodass ich nicht genau mitbekam, was sich da abspielte.
Jedenfalls kam er nicht mehr dazu, das Kreuz einzusetzen. Justine hatte sich in ein Tier verwandelt, und ich musste erleben, wie zerbrechlich der Engel letztendlich war.
Die Hände der Blutsaugerin umfassten plötzlich seinen Kopf, und dann hörte ich nur noch ein scharfes Knacken und Brechen, bevor der Körper einen Tritt erhielt und als Torso genau auf mich zugeschleudert wurde.
Ich schoss, aber ich wusste nicht, ob ich die Cavallo getroffen hatte. Nur den Bruchteil einer Sekunde bekam ich sie ganz zu Gesicht, und ich sah, dass sie Jamiels Kopf mit beiden Händen fest hielt wie eine Trophäe, von der sie schon lange geträumt hatte.
Ich kam auch nicht mehr dazu, meinen Gedanken zu beenden. Der kopflose Körper prallte gegen mich. Die Hand mit der Waffe wurde mir zurückgeschlagen. Ich musste den Körper erst loswerden, um dann an mein Kreuz zu gelangen, denn damit würde ich die Bestie stoppen können. Es war der Gegenstand, vor dem sie sich fürchtete.
Sie hatte bereits die Tür erreicht, als ich mich drehte. Ich sah ihren Rücken nur für einen kurzen Moment, dann stieß sie sich mitten im Lauf ab und sprang mit einem gewaltigen Satz nach links zur Seite hin weg. Sie war mir aus dem Blickfeld geraten. Ich ließ das Kreuz Kreuz sein und rannte ihr nach.
Bereits nach dem ersten Schritt ins Freie musste ich aufgeben. Justine war einfach zu schnell. Und es gab hier genügend Deckung. Sie musste zwischen den Hütten und Schuttbergen verschwunden sein, aber sie hatte etwas mitgenommen, den Kopf des Engels.
Deprimiert kehrte ich in die Halle zurück. Ich wünschte mir sehr, dass die blonde Bestie mit dieser Trophäe nichts anfangen konnte. Aber große Zweifel blieben schon zurück…
***
Der Engel war gestorben. Auch er schaffte es nicht, ohne Kopf zu existieren. Er lag auf dem Boden, und ich sah etwas Silbernes in seiner halb offenen Hand schimmern.
Ich nahm mein Kreuz wieder an mich. Letztendlich hatte es ihm auch nicht geholfen, denn die Blutbestie Justine war einfach zu schnell für ihn gewesen.
Es war kein Vergnügen, aber ich tat es trotzdem und schaute mir die Stelle an, an der der Kopf vom Körper abgerissen worden war. Es hingen keine Fetzen wie bei einem normalen Menschen. Es war auch kein rotes Blut zu sehen, sondern eine helle, etwas dickliche Flüssigkeit, mit der der Körper gefüllt war. Man konnte sie schon als einen wässrigen Pudding bezeichnen.
So also sah das »Blut« der Engel aus, wenn sie eine formfeste Gestalt angenommen hatten. Möglicherweise war es auch nur eine Ausnahme, und wir konnten froh sein, dass die andere Seite ihr Ziel nicht völlig erreicht hatte.
Trotzdem wäre mir ein lebender Jamiel lieber gewesen als ein toter. Er hätte mir sicherlich noch Informationen über seine Welt geben können. So aber war er nicht mehr wert als eine Schaufensterpuppe, der jemand den Kopf gestohlen hatte.
Vor mir hörte ich ein Stöhnen, und dann sah ich, wie Suko sich aufsetzte. Er tastete nach seinem Kopf, und sein Stöhnen klang nicht eben gut. Seine Beretta sah ich nicht weit entfernt liegen. Ich hob sie auf und gab sie ihm.
»Justine ist nicht mehr da, wie?« krächzte er.
»Du sagst es.«
»Verdammt, ich habe sie auch nicht stoppen können. Ich bin in der letzten Zeit weggetreten und weiß nicht, was hier gelaufen ist. Kannst du mir das sagen?«
»Ja, Alter, aber nicht jetzt. Diesmal, glaube ich, sind wir beide die zweiten Sieger gewesen. Nur gut, dass dies nicht immer so ist…«
ENDE des Zweiteilers
Weitere Kostenlose Bücher