1266 - Der Troß des Kriegers
quasi im Vorbeifliegen eine Serie von Schlägen, die aus dem Repertoire der Ijime, des „sadistischen Terrors", stammten.
Der Getroffene gab ein dumpfes Brüllen von sich, das abrupt in ein röchelndes Stöhnen überging. Mit hängenden Armen, die drei Augen seltsam verdreht, ging der Faustkämpfer zu Boden und rührte sich nicht mehr. Der zweite Gegner war über das Schicksal seines Gefährten derart verstört, daß Bull dieselbe Taktik ein zweites Mal anwenden konnte. Danach blieb nur noch der, der sich vor Schmerz kaum mehr mit halber Kraft bewegen konnte. Bull rammte ihn mit voller Wucht und schleuderte ihn gegen einen der mit kräftigen Dornen bewehrten Kaktuspfähle.
Er war selbst der Bewußtlosigkeit nahe. Er hätte sich am liebsten zu Boden fallen lassen und dem Körper die Ruhe gegönnt, nach der er mit jeder Nervenfaser verlangte. Aber er wußte, daß er in diesem Augenblick nichts Falscheres hätte tun können.
Er zog sich hinter ein Dornengestrüpp zurück, wo ihn die Faustkämpfer, falls einer von ihnen vorzeitig zu sich kam, nicht sehen konnten. Dort schloß er den Helm des SE-RUNS und ließ sich von frischer, kühler Luft umspülen. Der Cybermed meldete sich besorgt und erklärte: „Du leidest an akuter Mineraldefizienz. Ich werde dir ..."
„Nichts wirst du", fiel Bull dem syntronischen Mediker barsch ins Wort. „Ich komme zurecht."
Das Wagnis war noch nicht ausgestanden. Der schwierige Teil, die psychologische Auswertung des Erfolgs, den er soeben errungen hatte, kam erst noch. Er kannte den Kodex des Kriegers, das eherne Gesetz, dem sich Kalmers Soldaten bedingungslos unterwarfen. Würden aber die Faustkämpfer einsehen, daß die Interpretation des Kodex, wie er sie ihnen vortrug, in der Tat die einzige Methode war, ihre Ehre zu retten?
Die frische Atemluft hatte ihn gekräftigt. Er öffnete den Helm und ließ ihn in der Schulterpartie der Montur verschwinden. Dann trat er hinter dem Dornengestrüpp hervor.
Drei der Kämpfer hatten sich zu rühren begonnen. Als sie die Augen öffneten, richteten sie den Blick furchtsam und staunend zugleich auf den Gorim, der sie auf so unerklärliche Art besiegt hatte. Die beiden, die durch Ijime-Schläge ausgeschaltet worden waren, lagen noch bewußtlos. „Welcher von euch ist der Anführer?" fragte Reginald Bull mit harter Stimme. „Ich bin es", antwortete einer der drei. „Du warst es", sagte Bull.
Die Augen des Kämpfers trübten sich, ein Zeichen der Überraschung. „Wer ist es jetzt?" fragte er staunend. „Ich bin es", antwortete Bull. „Du?"
„Von wem sonst willst du besiegt worden sein?" fragte Bull.
Zwei Sekunden vergingen, dann begann der Verblüffte zu begreifen.
Nach dem Kodex des Kriegers war seine Ehre in dem Augenblick verloren, in dem er sich von einem Niederrangigen, zumal von einem Gorim, hatte besiegen lassen. Als Ehrloser hatte er keinen Anspruch mehr darauf, dem Troß des Kriegers anzugehören. Man würde ihn aus der Leibgarde verstoßen. Indem er sein Amt als Anführer der Gruppe an den Sieger abtrat, machte er diesen zu seinem Vorgesetzten. Von einem Höherrangigen besiegt worden zu sein, war keine Schande. Er würde von nun an wieder einfacher Soldat sein, aber das war besser, als aus der Leibgarde verjagt zu werden.
Ein Schimmer flog über das flache, konturlose Gesicht des Wulstschädels. Der Faustkämpfer verstand, welche Chance ihm hier geboten wurde. „Gewiß, du bist der Anführer", erklärte er eifrig. „Sag uns, welches deine Befehle sind."
„Sie sind einfach und leicht zu befolgen", sagte Reginald Bull. „Ich stelle Fragen, und ihr gebt mir darauf Antworten."
„Das wollen wir tun", versprach der ehemalige Anführer, und seine Gefährten machten dazu die Geste der Zustimmung.
Bull atmete auf. Jetzt erst war die Schlacht gewonnen - dank einer uralten Verteidigungskunst, die heute nur noch von wenigen Esoterikern praktiziert wurde, und dank der eigenartigen Mentalität einer vom Kodex des Kriegers beherrschten Gesellschaft.
Nicht einmal im Traum hätte Reginald Bull zu hoffen gewagt, daß ihm gleich bei seinem ersten Vorstoß ein solcher Erfolg beschieden sein würde. Er hatte sich mit den fünf Faustkämpfern eingelassen, weil sie der Leibgarde, also der Kaste der Soldaten, angehörten und von ihnen mehr über den Troß, den Elfahder und den Ewigen Krieger zu erfahren war als von den Mitläufern und Freitreuen, die unter den Besuchern des Festplatzes bei weitem in der Überzahl waren. Als Soldaten
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