1271 - Die Geister, die sie rief
wieder normal gebrauchen kann.«
Ich hob die Schultern. »Es wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als ihn zu besuchen.«
»Uns«, fügte Glenda hinzu.
»Ja, auch das.«
Wir ließen uns den Namen der Klinik geben und versprachen Murphy, ihn auf dem Laufenden zu halten. Es war ihm nicht unlieb, einen Fall losgeworden zu sein, denn er hatte - ebenso wie unser Freund Tanner - recht viel am Hals.
Murphy brachte uns bis zur Tür. Den Rest des Weges fanden wir allein. Glücklich sahen wir beide nicht aus. Glenda nagte auf ihrer Unterlippe.
»Was denkst du?« fragte ich sie.
»Dass da noch einiges auf uns zukommen wird.«
»Kein Widerspruch…«
***
Englische Krankenhäuser sind nicht die besten. Außerdem sind sie zumeist überfüllt, und es gibt nicht wenige Menschen, die sich auf dem Kontinent operieren lassen, nur um lange Wartezeiten zu vermeiden. Es fehlte auch oft das Geld für Neubauten, und wer ein so altes Krankenhaus betrat, der musste den Eindruck haben, aus diesem Bau nur noch als Leiche herauszukommen.
Uns erging es ebenfalls so. Glenda rümpfte die Nase und schüttelte nur den Kopf. »Wenn man hier wenigstens eine bessere Beleuchtung angebracht hätte, das sieht ja hier aus wie eine Leichenhalle. Nein, hier möchte ich nicht liegen.«
»Brauchst du ja auch nicht.«
Es gab eine Anmeldung, hinter der zwei Mitarbeiter nicht eben fröhlich aussahen. Der Stress war ihnen anzumerken. Die fragenden Besucher wurden recht knapp abgefertigt.
In der kleinen Halle selbst hielten sich Kranke und Gesunde auf. Die Kranken liefen oft mit Gips an den Gliedern herum, sei es nun an den Armen oder an den Beinen.
Der Mann, der mich mit seinen wasserhellen Augen fast vorwurfsvoll anschaute, hörte sich meine Fragen an, schaute kurz in einem Buch nach - einen Computer sah ich nicht -, hob dann die Schultern und meinte nur, dass der Patient im dritten Stock liegen würde.
»In welchem Zimmer? Welche Nummer?«
»Zimmer?« Er lachte.
»Ja.«
»Sliggy Durban liegt nicht in einem Zimmer. Die sind voll. Er ist nicht schwer krank. Man hat ihn auf den Gang gelegt. Das steht hier. Fragen Sie oben weiter.«
»Danke, das werde ich tun.«
Glenda, die dicht hinter mir stand, hatte mitgehört. »Auf dem Gang«, murmelte sie und rümpfte die Nase. »Was sind das denn überhaupt für Zustände?«
»Britische.«
»Ja, leider.«
Auf den Lift verzichteten wir. Das bisschen Bewegung konnte uns nicht schaden. Die grauen Betontreppen sahen aus, als gehörten sie ins Museum. Glasbausteine an den Wänden ließen nur einen Teil des Lichts in das Innere einfließen. Schatten hatten sich auf den Stufen ausgebreitet, und der Handlauf des Treppengeländers sah auch nicht eben klinisch sauber aus. In der dritten Etage stand die zweiflügelige Glastür zur Station hin offen. Wir schauten hinein und sahen, dass es alles andere als Spaß machte, in diesem Umfeld zu arbeiten. Der Flur war nicht besonders breit, aber durch die dort stehenden Betten war er noch stärker eingeengt worden. Sie standen hintereinander, und wir konnten uns aussuchen, wo wir den Patienten namens Sliggy Durban fanden.
Zum Glück lief uns eine Krankenschwester über den Weg, die von Glenda angehalten wurde.
»Pardon, wir hätten eine Frage.«
Die Frau verdrehte die Augen. Sie trug einen Stapel Handtücher und sah geschafft aus. »Ja, bitte.«
»Sliggy Durban.«
»Ach, der. Er liegt auf dem Flur. Von hier aus gesehen das zweitletzte Bett.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. »Wie ich meine, hat er sogar Besuch.«
»Von wem?«
»Gott, das weiß ich doch nicht.«
»Pardon; ist mir so rausgerutscht.«
»Macht ja nichts.«
Die Schwester ging weiter, und Glenda wandte sich an mich. »Hast du mitbekommen, dass er Besuch hat?«
»Ja. Und ich bin gespannt, von wem.«
»Sicherlich von einem seiner Kumpane.«
»Abwarten.«
Es gibt den typischen Krankenhausgeruch, den man als nicht hier einliegender Patient nicht mag und sich auch nicht daran gewöhnen kann. So erging es Glenda und mir, denn beide rümpften wir gemeinsam die Nase und schauten uns an.
»Gefällt dir nicht, wie?«
»Das kannst du laut sagen.«
»Mir auch nicht, John.«
Es war wirklich schlimm, als wir an den Krankenbetten vorbei gingen. Wir kamen uns vor wie Störenfriede und schauten permanent in die Gesichter der Menschen hinein, die in den Betten lagen und sich alles andere als wohl in ihrer Haut fühlten. Da konnte man selbst als gesunder Mensch
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