1275 - Der Totenkopf-Sammler
gebracht haben, ist mir noch nie widerfahren.« Er ging zur Seite und trat auf ein kleines Pedal, sodass sich der Deckel eines Abfalleimers hob, in dem die beiden Handschuhe verschwanden, um später zum medizinischen Müll geworfen zu werden.
»Es ist auch für uns nicht normal«, sagte ich.
»Was geschieht mit den Köpfen?«
»Zunächst sollen sie nicht verwesen. Behalten sie die Köpfe in der Kühlung. Es wird sich schon eine Lösung ergeben.«
»Klar, die gibt es immer.« Der Weißkittel schaute versonnen auf den Kühlschrank. »Können Sie mir sagen, welch ein Perversling so etwas tut? Das ist doch…« Er schlug gegen seine Stirn. »Ach, ich will darüber gar nicht nachdenken. Es gibt genügend Menschen, in deren Köpfen sich kein Gehirn befindet, sondern Pudding. Auch ich habe meine Erfahrungen sammeln können, aber das hier ist wirklich der Gipfel. Man hat sie sogar fachmännisch abgetrennt.«
»Das haben wir auch gesehen.«
»Und was hatte man mit den Köpfen vor?«
»Es sieht danach aus, als sollten sie verschickt werden«, erklärte ich. »Eingepackt in Kartons und dann ab aufs Festland. Nach Deutschland, um genau zu sein.«
Der Arzt schluckte. »Köpfe verschicken? Sind Sie da ganz sicher, Mr. Sinclair?«
»Leider.«
»Unmöglich«, flüsterte der Arzt, um dann abzuwinken. »Aber in dieser Welt ist vielen Menschen nichts mehr heilig. Das muss man leider so sehen.«
»Sie sagen es«, stimmte ich ihm zu und machte ihm zugleich klar, dass unser Besuch bei ihm beendet war. Er brachte uns noch bis zur Tür und wünschte uns, dass wir den Mörder auch fingen.
»Versprochen«, sagte ich.
Im Lift fuhren wir hoch, und mir fiel Sukos nachdenkliches Gesicht auf. »Worüber grübelst du nach?«
»Dass der Nachmittag und der frühe Abend nicht so verlaufen sind, wie ich es mir gedacht habe.«
»Nun ja, an Überraschungen müsstest du schließlich gewöhnt sein.«
»Da hast du auch Recht. Aber auf die zwei abgetrennte Köpfe kann ich verzichten.«
Wir hatten die Kabine verlassen und standen in der Etage, in der unser gemeinsames Büro lag.
»Wenn ich mir das so durch den Kopf gehen lasse, John, dann kann ich nicht daran glauben, dass es sich um einen Zufall handelt.«
»Das wird auch so sein.«
»Und warum gerade Wissenschaftler?«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Was will man damit? Sammeln und deren Köpfe in ein Regal stellen? Sie konservieren?«
»Das ist alles möglich.«
»Obwohl du daran nicht glaubst.«
»Stimmt auch wieder.«
»Dann sag mir eine andere Lösung.«
»Ich kenne keine, Suko, aber ich weiß, dass die Spuren nach Deutschland führen. Eine Postfachadresse in Frankfurt. Und dabei kommt mir ein Gedanke.«
»Ich weiß Bescheid. Wiesbaden liegt nicht weit von Frankfurt entfernt.«
»Womit wir bei Harry Stahl und Dagmar Hansen sind.«
»Genau.«
Wir beschlossen, Harry anzurufen, aber zuvor hatten wir noch eine Verabredung mit unserem Chef, Sir James Powell, der in seinem Büro auf uns wartete und gar nicht fröhlich aussah, als wir den Raum betraten, der noch vom letzten Licht des Tages erfüllt war.
»Geschafft?«
»Ja, Sir«, sagte ich und nahm Platz. »Die beiden Köpfe liegen unten im Labor.«
»Sehr gut.« Er nickte uns zu und atmete dabei ein. »Jetzt möchte ich nur zu gern wissen, zu welch einem Ergebnis Sie beide bisher gekommen sind.«
Ich war ehrlich und sagte: »Zu keinem.«
»Kann ich trotzdem erfahren, was bisher alles passiert ist?« Er deutete kurz auf mich. »Bisher sind Sie über Andeutungen ja nicht hinausgekommen, John.«
»Das geschah aus Zeitgründen.« Meine Antwort war nicht gelogen. Jetzt aber hatte ich Zeit, und so bekamen Sir James und Suko das zu hören, was ich erlebt hatte, und sie erfuhren auch, wie ich in den Fall hineingerutscht war.
»Ist das Zufall?«, fragte Sir James.
»Daran glaube ich nicht mehr. Schicksal, das einem Menschen zuteil werden kann, der sich der Sohn des Lichts nennt oder so genannt wird.« Ich hob die Schultern. »Das muss einfach so sein, Sir. Damit habe ich mich längst abgefunden.«
»Ja, das scheint zu stimmen.« Er kam wieder zur Sache. »Es steht fest, dass dieser eklige Fall aufgeklärt werden muss. Nur sehe ich diese Notwendigkeit nicht unbedingt hier in London oder gar nicht auf der Insel.«
»Simon Katic wollte die beiden Köpfe nach Deutschland schicken, und da haben wir schließlich einen guten Freund in der Nähe von Frankfurt.«
Sir James wusste natürlich Bescheid, ohne dass ich einen Namen erwähnt
Weitere Kostenlose Bücher