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1276 - Kodexfieber

Titel: 1276 - Kodexfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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„Gib mir die Verbindung!"
    „Willst du nicht doch lieber vorher etwas..." sagte Stronker, doch Bully fiel ihm ins Wort.
    „Quatsch. Das ist nicht so wichtig."
    Keen grinste.
    „Ich blende um", sagte er noch, dann verschwand sein Gesicht, das in Großaufnahme von der Projektion geblickt hatte.
    Die LIVINGSTONE. Sie war das Segment 45 und gehörte zu jenen dreihundert Segmenten mit zehntausend Vironauten, die sich im Monat April vom Hauptverband getrennt hatten, um Gruelfin beziehungsweise M87 einen Besuch abzustatten. Die LIVINGSTONE war, soweit Bully das in Erinnerung hatte, in Richtung Gruelfin geflogen.
    Sie mußte jetzt von dort kommen.
     
    *
     
    Während sie auf die Wirkung des Antiserums wartete, verfolgte Irmina weiter, was sich im Gehirn von Agid Vendor abspielte. Mit Hilfe ihrer Parafähigkeiten konnte sie jeden einzelnen Nervenimpuls verfolgen und jeden Vorgang im molekularen und atomaren Bereich wahrnehmen. Die Kodexmoleküle wirkten auf die in jeder Nervenzelle lagernden Gene wie Wahrnehmungsimpulse, die einen Lernvorgang auslösten. Angeregt durch die Kodexmoleküle, faltete sich die DNS-Spirale an bestimmten Stellen auseinander, die dann als Matrizen dienten, an der sich Abdrücke bildeten, einer hinter dem anderen. Mit der Bildung dieser RNS-Matrizen befanden sich die Kodex-Informationen bereits im Kurzzeitgedächtnis. Dann löste sich der erste RNS-Abdruck von der Matrize, während permanent weitere entstanden. Die Abdrücke wanderten aus dem Zellkern zu einem von vielen hunderttausend Ribosomen, winzigen „Knüpfmaschinen" im Zellplasma. Hier schafften Transportstoffe Aminosäurenmoleküle heran und ordneten sie auf dem RNS-Streifen seinem Kode entsprechend an. Damit befand sich die Information auf dem Weg ins Langzeit-Gedächtnis. Beim Durchgang durch das Ribosom wurden die aufgereihten Aminosäurenmoleküle zu einem langen Proteinmolekül verknüpft. Dazu lösten sie sich von der RNS und falteten sich zu einem Knäuel zusammen. So wurden sie als ruhende Informationsspeicher in den Nervenzellen eingelagert. Die in den Kodexmolekülen gespeicherten Informationen waren damit im Langzeit-Gedächtnis verankert, aus Informationen war Materie geworden, von der dann bei einem Erinnerungsvorgang die gespeicherte Information durch Aktivierung der Zelle wieder abgerufen werden konnte.
    Kodexmoleküle waren ihrer Wirkung nach also Wahrnehmungsimpulse und wurden erst im Gehirn zu Gedächtnisstoffen umgebaut. Kodexmoleküle waren sozusagen Proto-Peptide.
    Irmina schwitzte. Sie unterbrach ihre Beobachtungen und griff nach einem Papiertuch.
    Sie wischte sich das Gesicht ab. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte sie, daß Kido sich über Colophon Bytargeau gebeugt hatte. Der Kobold hatte sein Gesicht in unzählige Falten gelegt. Der dreieckige Kopf sah jetzt aus wie der eines alten, runzligen Drachen.
    „Die Produktion nimmt weiter zu", stellte er fest. „Was geschieht, wenn eine Übersättigung des Blutes eintritt, Irmina?"
    Die Metabio-Gruppiererin konnte es nicht sagen. Vermutlich würde der Körper dafür sorgen, daß keine Übersättigung eintrat. Doch es war ihr rätselhaft, wie der menschliche Metabolismus das bewerkstelligen wollte.
    Erneut versank sie in Konzentration. Sie suchte nach den Verbindungen, die ihr das bestätigten, was sie bereits wußte. Sobald sich die Peptide im Langzeit-Gedächtnis abgelagert hatten, mußte die Wirkung einsetzen.
    Das war bei Bully so gewesen. Er hatte sich als Ewiger Krieger gefühlt und kannte den Inhalt des Kodex. Die eigene Persönlichkeit trat in den Hintergrund, auch die eigene Vergangenheit spielte keine bedeutende Rolle mehr. Dies war jedoch nur die bewußte Wirkung. Die unbewußte war wesentlich stärker ausgeprägt, und sie war direkt auf die Prozesse im Gehirn zurückzuführen und dadurch zu erklären. Die Kodexmoleküle beeinflußten den Thalamus, wo alle ankommenden Sinneswahrnehmungen mit Gefühlen wie Freude, Angst, Lust oder Schmerz ausgestattet wurden, und den Hypothalamus mit der Hypophyse, wo Gefühle wie Hunger und Durst entstanden, die Körpertemperatur konstant gehalten, die Arbeit der Hormondrüsen geregelt und die Körperreaktionen an die Außenwelt angepaßt wurden. Durch die Manipulation dieser Regionen erzwangen die Kodexmoleküle das Reflexverhalten, das nicht umgangen werden konnte. Zudem sorgten die Kodexmoleküle für eine Intensivierung der Körperprozesse. Der Betroffene reagierte schneller, wurde ausdauernder und stärker, konnte

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