1284 - Templerehre
schon anders. Sie hatte sich auf die andere Seite geschlagen, und es konnte durchaus sein, dass mit ihr das Gleiche geschehen war wie mit Esmeralda, nur eben an einer anderen Stelle des Körpers.
Die Frauen trugen ihre kuttenähnlichen Gewänder, die schwarz oder dunkelbraun eingefärbt waren, so genau war das nicht zu erkennen. Als Suko die Hand ausstreckte, fauchte Anna auf und wollte aus seiner Reichweite rücken, was ihr allerdings nicht gelang, denn Suko ging ihr sofort nach.
»Hau ab!«, fuhr sie Suko an. »Geh! Rühr mich nicht an, verfluchter Chinese.«
»Das wird sich wohl nicht vermeiden lassen«, erklärte er gelassen. »Es war ein Test, und ich möchte herausfinden, ob er sich gelohnt hat. Du wirst dich nicht wehren können.«
Sie wusste es. Sie wusste es genau, und sie erstickte fast an ihrem Hass.
Suko nahm das gelassen. Er ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Er umklammerte die Fußknöchel und drückte sie zusammen. Dafür brauchte er nur eine Hand. Die Frau wehrte sich auch nicht, sie war irgendwie erstarrt, wie jemand, der alles nicht begreifen konnte.
Mit der freien Hand schob Suko ihren Rock so weit nach oben, dass er die Beine bis zu den Knien sah.
Es war passiert!
Tief holte er Luft. Plötzlich war auch die Oberin ruhig, die noch nicht das gesehen hatte, was Suko sah. Sein Schlag mit der Peitsche hatte bei ihr schon Spuren hinterlassen, denn von den Schienbeinen beginnend war die Haut aufgerissen. Die Frau trug irgendwelche alten Nylonstrümpfe, die dem Druck der Peitsche ebenfalls nicht standgehalten hatten und als Fetzen auf der Haut klebten.
Eine Haut, die nicht mehr die normale Farbe besaß. Sie war schwarz, sie war aufgerissen, sie zeigte auch bläuliche Beulen dicht über den Fesseln, und Suko merkte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg, denn das war auch für ihn eine nicht gelinde Überraschung. Die Oberin hatte ihre Strafe bekommen, denn er glaubte nicht daran, dass sie sich normal bewegen würde und überhaupt wieder normal gehen konnte.
Mit einem Ruck schleuderte er den Rock wieder über die Knie, stand auf und drehte sich um. Die restlichen vier Frauen hatten nicht eingegriffen. Wie Statisten standen sie in der Nähe und wussten nicht, ob sie Suko oder ihre Oberin anschauen sollten.
Suko hob die Schultern. Was er gesehen hatte, war den Nonnen verborgen geblieben, aber er würde es ihnen erklären müssen und nickte in die Runde.
»Sie hat Pech gehabt eure Oberin. Anna überschätzte sich und die Macht, die man ihr gegeben hat. Wer immer sie beeinflusste, sie wird jetzt dafür zu büßen haben, denn sie wird nie mehr so laufen können wie von Kindesbeinen an. Ihre Beine sind bereits angefault, und ich denke, dass sie zusammenbrechen wird, wenn sie versucht, auf die Füße zu kommen. Aber sie hat es nicht anders gewollt. Meine Peitsche war stärker, und ich denke, dass ihr es euch überlegen sollt.«
Eine Antwort, erhielt Suko nicht. Er wusste auch nicht, ob man ihm glaubte, was den Frauen eigentlich hätte leicht fallen müssen, weil sie ja schon Esmeraldas Schicksal mitbekommen hatten, aber hier reagierten sie nicht. Sie hockten auf ihren harten Holzstühlen und schauten Suko an. Ihre Gesichter zeigten einen verbissenen Ausdruck. Da war an Läuterung wirklich nicht zu denken.
»Wollt ihr es sehen? Muss ich euch erst durch Taten überzeugen? Nun gut, ihr werdet sehen können, was es bedeutet, wenn sich Menschen auf die Seite der Finsternis stellen.«
Bevor jemand reagieren konnte, hatte Suko bereits zugegriffen. Eine schnelle Drehung, das hastige Bücken, dann der Griff nach Anna. Bevor sie sich versah, hob Suko sie an und war mit zwei Schritten bei einem leeren Stuhl, auf den er die Frau drückte.
Erst jetzt schrie sie laut auf. Sie schlug nach Suko, dem das nichts ausmachte. Die Fäuste prallten gegen seinen Rücken, und mit einer wuchtigen Bewegung fegte er den Rock so weit in die Höhe, dass die anderen Nonnen sehen konnten, was hier passiert war.
Diesmal brauchte Suko nichts zu sagen und sie auch nicht extra aufzufordern. Sie kamen von allein näher, schlichen über den Boden und konnten froh darüber sein, dass das Licht ausreichte, um die Beine und die Füße erkennen zu können.
Dunkel, schwarz, beulig aufgerissene Haut, aus der die Sehnen hervor schauten, die aussahen, als wären sie in Tinte getaucht worden. Blut strömte nicht aus den Wunden hervor. Es war nichts anderes als ein dunkler Mischmasch zu sehen, in dem sich Blasen abzeichneten.
Suko
Weitere Kostenlose Bücher