1284 - Templerehre
wir wissen oder ich weiß, wohin die Oberin immer gegangen ist.«
»Wohin?«
»In die Bibliothek.«
Suko schüttelte den Kopf. »Moment, das kann nicht sein. Ich war dort und habe nichts gesehen, was…«
»Es ist nicht dabei geblieben«, erklärte die Nonne. »Sie ging in die Bibliothek, weil sich dort der geheime Zugang befindet.«
»Ausgezeichnet. Kennst du ihn?«
Die Frau zögerte mit einer Antwort, aber sie sah die Blicke der anderen auf sich gerichtet und fühlte sich bedrängt. »Ja«, gab sie schließlich zu, »ich kenne ihn.«
»Dann höre ich jetzt besonders gut zu.«
Beim Sprechen senkte die Frau den Blick, als hätte sie ein schlechtes Gewissen. »Man muss an den rechten Glasschrank herantreten und neben der Scheibe auf eine bestimmte Stelle drücken. Dann schiebt sich der Schrank zur Seite. Er dreht sich und gibt den Weg in das Versteck frei. Mehr habe ich auch nicht gesehen.«
Suko reichte das nicht nur, er war sogar angenehm überrascht worden, und er hatte jetzt ein Ziel. Wobei er trotzdem misstrauisch war, denn er konnte sich kaum vorstellen, dass er unter den Nonnen Freunde hatte. Wenn sie ihren Schock über den Tod der Oberin verdaut hatten, würden sie bestimmt darüber nachdenken, weshalb sie hier im Kloster waren, und sie würden Suko als einen Fremden betrachten.
Er wollte das Versteck allein betreten, aber er musste auch die Frauen zurückhalten. »Ihr habt gesehen, was mit der Oberin passiert ist. Ich verlange von euch, dass ihr es als Warnung hinnehmt. Für euch gibt es einen Weg zurück in das normale Leben, wenn ihr dieses Kloster verlassen habt. Davon bin ich überzeugt. Denkt darüber nach und vergesst, was in der Vergangenheit passiert ist.«
Er erwartete nicht, dass sie ihm um den Hals fallen würden, aber Suko bemerkte schon, dass seine Worte sie nachdenklich gemacht hatten, und er war froh, als sie nickten.
Das Risiko blieb zwar bestehen, aber nichts im Leben ist völlig frei davon.
»Gut«, sagte er dann, »ich werde mich auf den Weg machen und hoffe, euch von diesem Fluch befreien zu können…«
***
Für eine gewisse Zeitspanne blieb der Kämpfer Godwin de Salier vor der Eingangstür des Klosters stehen und dachte nach. Er war nicht sicher, ob er auf dem normalen Weg den Bau betreten sollte. Es gab sicherlich noch einen hinteren Eingang, aber er spürte auch, dass die Zeit drängte. Das sagte ihm sein Gefühl, denn irgendwann würden die Roten Mönche von ihrem Ausritt zurückkehren. Sie fühlten sich sicher, weil sie keine Wachposten hinterlassen hatten, aber die Tatsache ließ Godwin trotzdem nicht übermütig werden.
Die Tür war nicht verriegelt. Er konnte sie aufziehen und merkte sofort, dass er eine düstere Welt betreten hatte, was nicht am Licht lag, das nur spärlich in das Innere floss.
Es war allein die Atmosphäre, die ihm zu schaffen machte. Er war sie nicht gewohnt. Zumindest nicht in einem Templer-Kloster. Da kannte er sich gut aus.
Hier war alles anders. Die Mönche hatten sich von ihren hohen Idealen entfernt. Es hing kein Kreuz an den Wänden. Es waren keine Gemälde zu sehen, die die Templer auf siegreichen Kreuzzügen zeigten.
Es war hier einfach nur düster und unheimlich.
Er ging tiefer in den Bereich des Eingangs hinein und blieb ungefähr in der Mitte stehen. Seine Hand löste sich vom Griff des Schwerts, als er sich umschaute, weil er so viel wie möglich von seiner Umgebung sehen wollte.
Zu schwach war das Licht. Schatten, die mal hell und dann wieder dunkelgrau waren, verteilten sich auf dem Boden, als wollten sie dort ein Muster hinterlassen, das sich nur zu bestimmten Zeiten zeigte und wenn die Sonne an der entsprechenden Stelle am Himmel stand.
Was auch auffiel, war der Geruch. Nach Mensch roch es. Nach Schweiß, nach Abfällen. Godwin rümpfte die Nase.
Er fand nicht heraus, wonach es genau stank, denn hier kamen einige Gerüche zusammen. Es war im Prinzip nichts Neues, Godwin kannte das aus anderen Burgen und Schlössern, aber hier war der Gestank besonders widerlich, als hätte man den Geruch der Hölle auf die Erde geschafft.
Der Templer überlegte. Er wollte, wenn möglich, das gesamte Kloster durchsuchen, weil er davon ausging, dass die Roten Mönche, die mal normale Templer gewesen waren, Räume besitzen mussten, in denen sie ihre Initiationsriten durchführten, um mit ihrem großen Mentor Baphomet in Kontakt zu treten.
Die Einrichtung in dieser Halle war spärlich oder so gut wie nicht vorhanden. Ein paar Stühle gab
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