1285 - Das Spiel des Lebens
das du gehört hast."
„Nichts, oh Herr", sagte Quolar hastig, „wenn du es wirklich ernst nehmen willst."
„Quolar, wie oft habe ich es dir zu erklären versucht." Targiivs Stimme klang eindringlich wie die eines Lehrers, der einem verstockten Schüler einen einfachen Lehrstoff zum drittenmal nahezubringen versucht. „Hunderte von Generationen in der Vergangenheit lebte in unserem Land ein Volk, das sich der Magie verschrieben hatte. Es war eine besondere Art der Magie; sie nannte sich Wissenschaft und Technik. Wir wissen nicht, was aus dem Volk der Magier geworden ist. Aber seine Überlieferungen sind in schwer verständlicher Form noch vorhanden, und wir können daraus lernen. Da es von Natur aus so ist, daß nur der Thron und die von ihm Beauftragten sich mit der Magie beschäftigen dürfen, haben wir angeordnet, daß niemand sich mit den Überlieferungen der alten Magier beschäftigen darf. Gewisse Kreise in der Menge unserer Untertanen haben entschieden, daß sie sich an diese Anordnung nicht zu halten brauchen. Sie studieren die Unterlagen der Alten und lernen aus ihnen. Sie sind selbst zu Magiern geworden. Mit der Magie, Quolar, ist nicht zu scherzen. Wenn die Techno-Rebellen alle Künste erlernen, die die Magier uns in ihren Aufzeichnungen hinterlassen haben, dann sind wir in Gefahr: ich, du und alle, die in dieser Burg wohnen und sich von meinen Wohltaten ernähren. Hast du das verstanden, Mundschenk?"
„Ich habe es verstanden, Herr", versicherte Quolar.
„Nun gut" Die Stimme des Despoten klang verdächtig sanft. „Dann sag mir, was du unternommen hast, um die Techno-Rebellen an der Ausführung ihres Plans zu hindern."
„Nichts, Herr", antwortete der Mundschenk verblüfft. „Ich nahm das Gerücht nicht ernst."
Targiiv sprang auf. Sein zerfurchtes Gesicht verzerrte sich zu einer Fratze des Zorns.
Quolar erschrak so sehr, daß er auszuweichen versuchte. Da er aber mit angewinkelten Knien auf dem Boden hockte, führte sein Manöver lediglich dazu, daß er auf den Rücken fiel.
„Nichts hast du unternommen?" donnerte der Tyrann. „Gibt es nicht wenigstens zehn, die wir im Verdacht haben, zu den Techno-Rebellen zu gehören, Wrash an der Spitze?"
„Wir haben keine Beweise gegen sie, oh Herr!" jammerte der Mundschenk.
„Beweise, Beweise", schrie Targiiv, „Wozu brauchen wir Beweise? Noch gehört uns die Macht. Nimm die Kerle fest, dann fällt der Angriff auf die Kaserne von selbst in sich zusammen."
Inzwischen war es Quolar gelungen, auf die Beine zu kommen. Er verneigte sich und rief: „Ich werde es sofort veranlassen, Herr. Jetzt unmittelbar, auf der Stelle. Ich eile..."
„Halt!" brüllte der Despot. „Wenn du deinen faulen Kadaver schon in Bewegung gesetzt hast, dann sorge auch dafür, daß die Besatzung der Kaserne bis auf das Höchstmaß verstärkt wird. Die Kanonen sollen hergerichtet werden. Die Feuermeister sind herbeizuschaffen, wo immer sie auch gegenwärtig saufen oder huren mögen. Jeder Gardist, der nicht anderswo gebraucht wird, hat sich mder Kaserne zu melden."
„Auch die aus der Burg?" fragte Quolar unsicher.
„Auch die aus der Burg", antwortete Targiiv. „Nicht auf die Burg ist es abgesehen, sondern nur auf die Kaserne. Wir kommen hier mit einer Handvoll Wachposten aus." Der Tyrann stieß ein höhnisches Lachen aus. „Den möchte ich sehen, der es wagte, die Burg anzugreifen!"
Abermals machte der Mundschenk den Ansatz davonzueilen. Noch einmal hielt Targiiv ihn zurück.
„Eine Menge Geschwätz hast du mir vorgetragen, Laffe", schrie er. „Gibt es sonst nichts zu melden?"
Falten entstanden auf Quolars Stirn. Er mußte nachdenken, und das fiel ihm nicht leicht, nachdem er eben auf so nachdrückliche Weise zusammengestaucht worden war.
„Oh doch, Herr, da war noch etwas", sagte er. „Der Junggraf von Tjann bittet um eine Unterredung. Er... er möchte dir seine Aufwartung machen. Ich dachte, es wäre gut, ihn nicht sofort vorzuführen. Er sitzt draußen und wartet. Der Herrscher, meine ich, hat nicht für jeden dahergelaufenen Audienzsucher bereitzustehen."
Targiivs Zorn verrauchte so schnell, wie er gekommen war.
„Gut gedacht, Mundschenk", lobte er. „Laß ihn noch eine Zeitlang warten, dann schick ihn herein. War höchste Zeit, daß er sich bei mir meldete, nachdem er schon drei Tage in der Stadt ist."
4.
Ich hatte mich auf eine längere Wartezeit vorbereitet. Tyrannen haben die Gewohnheit, ihre Besucher erst nach mehreren Stunden zu
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