1285 - Das Spiel des Lebens
knirschende Schritte zu hören, dann menschliche Stimmen.
„... habe ihn schreien hören, ganz eindeutig."
„Wir geraten in des Teufels Küche, wenn du dich verhört hast", sagte eine zweite Stimme. „Der Herr liebt es nicht, gestört zu werden."
„Noch schlimmer ergeht es uns, wenn er nach uns gerufen hat und sich keiner von uns meldet."
Langsam ließ ich das Bein des Tyrannen zu Boden gleiten. Wrash tat es mir nach und griff in die Tasche, um einige von seinen Sprengkapseln hervorzuholen. Ich musterte die traurigen Überreste meines tapferen Degens. Nur ein Drittel der Klinge war noch vorhanden und der Knauf mit dem Korb.
Der Riegel hob sich. Er wurde von außen betätigt. Ich huschte zur Seite. Die Tür öffnete sich einen Spalt. Ein behelmter Kopf schob sich herein.
„Gnädiger Herr, hast du nach uns..."
Von der arideren Seite her riß Wrash die Tür vollends auf. Der Wächter taumelte herein.
Mein erster Schlag, mit dem Knauf geführt, riß ihm den Helm vom Schädel, der zweite schleuderte ihn bewußtlos zu Boden. Mit einem Satz war ich draußen. Dem zweiten Posten war die Sache nicht geheuer. Er hatte sich umgewandt und war im Begriff davonzueilen. Wahrscheinlich wollte er Hilfe holen. Er hörte mich nicht. Ich schlug ihn von hinten nieder. Ein Griff, ein Ruck, und er lag im Gebüsch zur Seite des Torwegs versteckt.
Ich eilte zum Turm zurück. Ein Gefühl der Unwirklichkeit ergriff mich. Ich schnellte mich mit aller Kraft der Muskeln vorwärts, und dennoch schien ich kaum von der Stelle zu kommen. Das Donnern der Explosionen hörte sich an, als dränge es durch eine lange Röhre an mein Ohr. Die Fackeln auf dem Hof verbreiteten ein eigenartig milchiges Licht, das wie Nebel in der Luft hing.
Die Tür stand offen. Die zwei Bewußtlosen lagen auf dem Boden. Wrash sah mir entgegen. Aber war es wirklich Wrash? Er war in ein schwarzes Gewand gekleidet, als wir sein Haus vor Stunden verließen. Jetzt trug er eine hellgraue, eng anliegende Montur, die mir wie ein Ding aus der fernen Zukunft erschien.
Ich starrte ihn an.
„Ron?" kam es mir über die Lippen, ohne daß ich es wollte.
Er nickte.
„Spiel des Lebens", sagte er knapp. „Die Wirkung läßt nach. Du bist Roi Danton." Er deutete auf Targiivs schlaffen Körper. „Faß an. Wir müssen hier fort!"
„Wer ist er?" fragte ich.
„Unser Gegenspieler. Wir werden ihn erkennen, wenn der hypnotische Einfluß vollends erloschen ist. Rasch, um des Himmels willen!"
Wir zerrten den Tyrannen den Torweg hinab. Die Umgebung verlor immer mehr an Wirklichkeit. Die Mauern der Burg schienen zu wanken. Das Krachen der Detonationen war nur noch ein halblautes Gemurmel. Es war finster. Ich konnte Wrashs Kleidung nicht mehr sehen. War er noch der Wirt im Löwen und Schwert, oder hatte er sich endgültig in Ronald Tekener zurückverwandelt? Mit seinen Worten hatte er meinem Verstand ein Stichwort gegeben. Spiel des Lebens: Ich wußte, was das war. Es war ein Wettbewerb, der irgendwo abgehalten wurde und dem Gewinner die Möglichkeit bot, ein Schüler des Ewigen Kriegers zu werden. Das waren Worte und Begriff, die mir durch den Sinn trieben, ohne daß ich mir darunter etwas vorstellen konnte. Ich wußte nicht, was ein Ewiger Krieger war. Ich hatte keine Ahnung von seiner Schule. Ich war auch nicht sicher, ob ich selbst am Spiel des Lebens beteiligt war. Aber wenn Ron - oder Wrash - es sagte, mußte es wohl so sein.
Wir erreichten das Tor. Es war noch offen. Wir schoben Targiiv hindurch. Draußen warteten Wrashs Rebellen. Abseits im Gebüsch hatten sie einen einfachen Pritschenwagen abgestellt. Die Pferde waren noch angeschirrt. Wir brauchten nur den Tyrannen aufzuladen, dann lag der schwierigste Teil unseres nächtlichen Unternehmens hinter uns.
Ich hielt an. Ich ließ Targiivs Bein fahren. Was hatte das alles jetzt noch für einen Sinn?
Es war weiter nichts als ein Spiel. Wir hatten uns niemals wirklich in Lebensgefahr befunden. Alles, was sich ereignet hatte, war nur ein Produkt unserer Einbildung gewesen, die Auswirkung des hypnotischen Einflusses, den die Spielleiter auf die Teilnehmer des Spiels ausübten. Ich war nicht wirklich Ejnald von Tjanns Sohn. Mein Vater war vielmehr...
Ich sah auf. Es wurde hell. Der Tag brach an. Eine Stunde nach Mitternacht wurde es über der Stadt Denguon helllichter Tag! Verblüfft schaute ich um mich. Die Gestalten der Rebellen waren durchsichtig geworden. Sie lösten sich auf wie Vampire, die der erste Sonnenstrahl
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