1287 - Wiedersehen im Jenseits
nach Liebe hungernden Menschen. Es war eine Szene, die Ascot Spaß machte. Er hatte sich wieder auf seinen Stuhl gesetzt, die Brille zurechtgerückt und schaute zu.
Ich traute ihm nicht. Es war kein normales Zuschauen. Er konnte den Triumph nicht verbergen, doch es war ein Triumph, der mir nicht gefallen konnte.
Ich sah das kalte Lächeln auf seinem Gesicht. Sehr in die Breite waren die Lippen gezogen. Man konnte schon von einer Gier und zugleich einer Zufriedenheit sprechen. Das konnte er auch sein, denn er hatte dieser Helena wieder jemanden zugeführt.
Alwin würde alles für sie tun. Er würde ihr hörig sein. Er würde ihr überall hin folgen, sogar in den Tod.
Wenn sie verlangte, dass es ein Wiedersehen im Jenseits gab, würde er sich nicht dagegen sträuben.
Helena ließ ihn los. Sie musste dabei schon etwas Kraft aufwenden, denn er klammerte noch immer.
Jetzt, als seine Hände kein Ziel mehr besaßen, war er etwas durcheinander. Er konnte auch nicht auf der Stelle stehen bleiben und bewegte sich im Kreis. Auf mich wirkte er orientierungslos, und Ascot freute das, denn er schickte ihm sofort eine Frage zu.
»Wie geht es dir denn, mein Freund?«
Alwin schüttelte den Kopf.
»Magst du sie?«
Auf diese Frage hatte Alwin gewartet. Er fuhr herum, schaute nicht die Frau an, sondern Ascot. Zu mir hin gesehen stand er günstig. Ich sah den veränderten Ausdruck in seinen Augen und gelangte zu dem Schluss, dass es nur die reine Gier sein konnte. Eine große Gier, die einzig und allein der Person galt, die er in den Armen gehalten hatte. So mussten auch die anderen Männer ausgesehen haben, bevor sie sich dazu entschlossen hatten, sich umzubringen.
Er ballte die Hände zu Fäusten. »Ich will sie. Ich will sie haben. Ich will sie für immer haben. Ich kann nicht mehr ohne sie. Ich brauche Helena.«
»Das habe ich gewusst. Sie ist die Lösung des Problems, mein lieber Freund. Ich habe sie dir geschenkt, denn nur durch sie kannst du deine Ängste überwinden.«
»Das weiß ich. Das habe ich gespürt. Es ist fast nicht zu fassen.«
»Du wirst es überleben, und auch sie will es.«
»Ja, das habe ich gespürt.«
»Aber sie stellt Ansprüche«, erklärte Ascot mit ruhiger Stimme. »Sehr hohe sogar. Ich kenne sie genau, denn sie entstammt meiner Ahnenreihe. Sie ist eine Ascot, ich bin ein Ascot. Lange hat Helena gesucht und erst jetzt den richtigen Verbündeten gefunden, der sie begreift, und der hinter ihr steht. Sie hat mir viel von sich erzählt, das hier nichts zur Sache tut. Eines allerdings war sehr wichtig für sie. Sogar mehr als wichtig. Es steht ganz oben auf ihrer Liste. Wer immer mit ihr zusammen ist, muss sich ihr mit Haut und Haaren verschreiben, verstehst du das?«
»Ich… ich… glaube schon.«
»Mit Haut und Haaren heißt«, Ascot beugte sich vor, »dass du alles für sie tun wirst, Alwin, alles. Du wirst ihr folgen, wo immer sie hingeht. Du bleibst von nun an bei ihr, denn sie wird es sein, die dir deine Lebensängste nimmt. Nur sie kann es, und nicht du allein, und ich schaffe es auch nicht. Ich bin nur der Mittler. Alles andere musst du schon selbst in die Wege leiten.«
»Das weiß ich.«
»Sehr gut, mein Freund. Wenn sie dich anspricht, wirst du es ihr auch beweisen müssen.«
Er nickte. Dann drehte er sich um und schaute Helena dabei tief in die Augen.
Ich wartete noch immer als stiller und heimlicher Beobachter, und wenn ich ehrlich war, mir kam die Situation verdammt kitschig vor. Noch schlimmer als eine Szene aus der abgefahrensten Seifenoper.
»Ich werde alles für dich tun. Ich werde immer an deiner Seite bleiben.«
Sie nickte ihm zu und lächelte dabei, aber dieses Lächeln sah für mich falsch aus. »So habe ich das auch gesehen, mein Freund. Ich will, dass du viel für mich tust. Jetzt gehören wir zusammen, und wir werden uns nicht nur hier treffen können.«
Ich spitzte die Ohren, denn der letzte Satz hatte mich wirklich aufhorchen lassen.
»Das ist nicht schlimm«, flüsterte Alwin zurück. »Ich gehe mit dir hin, wo du willst. Diese Welt ist groß genug. Wir finden überall unsere Plätze, das weiß ich.«
»Wohin ich will?«
»Ja!«
»Versprichst du das?«
Alwin konnte gar nicht so schnell nicken wie er wollte. Er war völlig außer sich. Er stand neben sich selbst. Er hatte nur Augen für die Person vor ihm. Seine Lippen zeigten ein Lächeln. Er zitterte wieder am gesamten Körper, und in seinen Augen stand ein Ausdruck der Gier.
»Dann werde ich dich jetzt
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