1292 - Die Blutbrücke
versprechen Sie mir, nichts auf eigene Faust zu unternehmen.«
»Versprochen…«
***
Die dunkelblonde Angela Finkler mit dem offenen Gesicht lachte, als sie die Haustür verließ und durch den Vorgarten ging. Dabei warf sie einen Autoschlüssel mehrmals in die Höhe und fing ihn immer wieder mit der rechten Hand auf.
Ihr Kollege Jens Rückert wartete gegen eine nostalgische Laterne gelehnt. Angela brauchte ihm nichts zu sagen. Anhand ihrer Bewegungen erkannte er, dass sie Erfolg gehabt hatte.
Mit dem Knie drückte sie das kleine Gartentor auf und war Sekunden später bei Jens.
»Ist doch toll, wenn man sich auf alte Freundinnen verlassen kann. Wir können ihren Wagen bis morgen behalten. Susanne liegt mit einer Erkältung im Bett und kommt sich vor wie um Jahrzehnte gealtert.«
»Das ist ein Treffer.«
»Und ob.«
»Wo steht der Wagen denn?«
»Gleich um die Ecke in einer Nebenstraße. Es ist ein blauer Ford Ka. Nicht zu übersehen, auch wenn er klein ist. Das hat Susanne zumindest gesagt.«
»Dann los.«
Beide waren sie irgendwie von einem Jagdfieber erfasst worden. Das empfanden sie als positiv. Das gehörte zu ihrem Job. Wenn es das nicht mehr gab, konnten sie gleich einpacken und etwas anderes machen. Einen ruhigen Job in der Verwaltung oder so. Hinzu kam, dass Deutschland ihr Zuhause war und sie sich hier wohler fühlten als auf der Insel. Der Job dort wäre auch nicht von langer Dauer gewesen, aber Auslandserfahrung gehörte nun mal dazu.
Dass eine Spur nach Deutschland führen würde, war natürlich perfekt, auch wenn diese Spur verdammt gefährlich werden konnte, denn ihre Erlebnisse auf der Insel hatten sie nicht vergessen. Da war die Nacht zu einem Höllentrip geworden.
Und genau das hatten sie auch nicht vergessen. Das Grausen konnte sich wiederholen. Nicht grundlos hatte dieser Casey Jordan kurz vor seinem Tod auf die Blutbrücke hingewiesen. Es stand für sie fest, dass sie es nicht einfach nur mit einer Brücke zu tun hatten, auch wenn sie äußerlich so aussah.
Da steckte mehr dahinter, und eines hatten sie auch erleben müssen: Es gab Vampire!
Sie hatten eine Frau mit blonden Haaren gesehen, die man tatsächlich als Blutsaugerin ansehen konnte, und genau das bereitete ihnen Probleme, obwohl sie in den letzten Stunden nicht darüber gesprochen hatten. Sie hatten sich eben bewusst zurückgehalten.
Das kleine Auto stand eingeparkt zwischen einer Laterne und einem alten Daimler. Angela Finkler war nicht eben glücklich, als sie das sah. »Da komme ich nie raus.«
»Lass mich das versuchen.«
Sie warf Jens den Schlüssel zu. Er öffnete den Wagen und klemmte sich hinter das Lenkrad. Angela war noch nicht eingestiegen. »Soll ich dich nicht besser rauswinken?«
»Nein, nein, lass mal.« Der Mann mit den dunkelbraunen Haaren, der seine Jugendlichkeit noch nicht verloren hatte, winkte ab. »Steig ein, den Rest schaffe ich schon.«
Überzeugt war sie davon nicht, aber sie mussten einfach aus dieser Lücke herauskommen.
Der Motor sprang sofort an. In diesem Augenblick wurde Jens Rückert die Ruhe selbst. Er konnte noch ein winziges Stück zurückfahren, berührte hauchzart den Laternenpfahl, kurbelte, fuhr vor, wieder zurück, dann wieder vor und schaffte es, den Ford aus der Lücke zu rangieren.
Er lachte. »Geht doch. Jetzt bist du an der Reihe. Weißt du eigentlich, wie wir fahren müssen?«
»Ja, Susanne hat mir die Beschreibung gegeben.«
»Super.« Jens deutete mit einer Hand auf die Kamera, die auf den Oberschenkeln seiner Kollegin lag.
»Ist sie auch in Ordnung?«
»Perfekt.«
»Dann kann ja nichts schief gehen.«
Angela schaute ihn nur an. Mit einer Bestätigung hielt sie sich lieber zurück. Aber sie spielte mit und dachte darüber nach, was ihr Susanne gesagt hatte. Sie hatte sich einige Notizen gemacht, und so konnte sie ihrem Kollegen die Namen der Straßen nennen, über die sie fahren mussten, um ans Ziel zu gelangen. Keiner von ihnen hatte die Blutbrücke bisher gesehen. Sie waren sehr gespannt.
»Wie stellst du dir die Brücke vor?«, fragte Angela.
Jens musste lachen. »Normal. Oder was hast du dir gedacht?«
»Keine Ahnung.«
»Etwa voller Blut?«
»Nein, nein, das wäre Unsinn. Aber je mehr man über die Brücke weiß und je genauer man darüber nachdenkt, umso komischer wird es mir. Die Spannung in mir steigt jedenfalls.«
»Bleib cool.«
»Bin ich. Jedenfalls kann mich nichts mehr so leicht erschüttern. In London habe ich genug erlebt, und ich bin auch
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