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13 kleine Friesenmorde

13 kleine Friesenmorde

Titel: 13 kleine Friesenmorde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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verschollen« unter dem Datum des Unterganges der »Euridike« in die Bürgerliste der Gemeinde Upgant-Schott.
    Auch im Seeamt Emden erfolgte der sinngemäße Vermerk. Die Akte »Verlust der ?Euridike? unter der Leitung des Kapitäns Reent Renken, Reederei Gebrüder Hugo und Jan Thomasens, Neuharlingersiel«, wanderte ins Archiv. Die bis dato unbewiesene Bluttat des Seemanns und Kochs Ino Feeken, von dem jedes Lebenszeichen fehlte, boten den Sachverständigen keinen Anlass, ihr Urteil zu revidieren. Auch versicherungstechnisch galt der Vorgang als abgeschlossen.
    Es war Aufgabe der Polizeibehörde, falls, was immer fraglicher wurde, der Seemann bei dem schlechten Wetter im Rettungsboot die Küste erreicht haben sollte.
    Genau das war der »Kasus knacktus« für den ehrgeizigen und aufstrebenden Kommissar Alwin Koester. Er misstraute den Alten der Kate aus Upgant-Schott, die sich nie und nimmer, dafür sprach ihre Kritik an Seiner Majestät, dem sie die Verantwortung für ihre Armut zuschrieben, gegenüber der Obrigkeit verpflichtet sahen, mit der Wahrheit herauszurücken.
    Das Rettungsboot, in dem sich Ino Feeken befunden haben musste, war den Strömungsverhältnissen gefolgt und über die Wogen geglitten, die auch die Flaschenpost des sterbenden Kapitäns an den Strand von Sylt getrieben hatte. Dennoch konnte Ino Feeken, das bestätigten ihm erfahrene Steuermänner, auf einer Nachbarinsel oder in der Nähe von Cuxhaven die Küste wohlbehalten erreicht haben.
    Dabei lag es nahe, theoretisch gesehen, dass der Seemann neben einigen Reichsmark instinktiv, um seinem Tod zu entrinnen, seinen Seemannspass eingesteckt hatte, ohne den er keine Chance besaß, unterzutauchen.
    In dieser Situation gelang es Ino Feeken, so rekonstruierte Alwin Koester, mit der Eisenbahn über Hamburg, Bremen nach Emden zu gelangen. Er nutzte mutmaßlich die Dunkelheit, erreichte ungesehen die elterliche Kate, erholte sich fürs Erste von seinen Strapazen, ließ sich aus Schuldgefühlen nicht von seinen Eltern überreden, mit einer Geschichte aufzuwarten, die seine wundersame Rettung glaubhaft erscheinen ließ. An Seesäcken haperte es im Hause Feeken nicht. Vermutlich heuerte er in Emden an, denn noch war derUntergang der »Euridike« nicht zu den Schiffen vorgedrungen und noch galt er als unbescholtener Seemann.
    Alwin Koester, beflügelt von seiner Version, studierte die »See- und Schiffsnachrichten«, die in der »Emder Zeitung«, der »Ostfriesen-Zeitung« und im »Friesischen Kurier« regelmäßig erschienen und über angekommene und abgefahrene Schiffe mit Daten und Zielhäfen berichteten. Zur besagten Zeit hatten einige Überseesegler den Emder Hafen verlassen. Er wandte sich an die Reedereien, doch ohne Erfolg.
    Dabei litt Kommissar Alwin Koester nicht unter Arbeitsmangel. Emden gehörte zu dieser Zeit zu den führenden See- und Hafenstädten in Europa. Abgesehen von der kränkelnden Landwirtschaft im ländlichen Umland entstanden in der Stadt prächtige kaiserlich-preußische Verwaltungsgebäude, Kasernen für die Seestreitkräfte, denn das Kaiserreich expandierte in Richtung Übersee und rang nach Teilhabe an den Kolonien.
    Schiffe aus aller Welt legten in Emden an und löschten ihre Fracht. Großsegler der in der Stadt beheimateten Reedereien exportierten Güter der aufsteigenden Industrienation in ferne, exotische Häfen.
    In den Kneipen rund um den Hafen ging es oft zur Sache. Da kümmerten sich die Besucher im Rotlichtmilieu wenig um preußische Vorstellungen von Recht und Ordnung. Da war Großzügigkeit angesagt und Wegsehen gescheiter, als mit dem moralischen Zeigefinger auf Puffs und Vergnügungslokale hinzuweisen.
    Am Nachmittag des 14. Juli l886 verzog sich an der ostfriesischen Küste der Seenebel. Er trieb mit dem ablaufenden Wasser der Ebbe davon. Die Sonne warf ihr strahlendes Licht in das Dienstzimmer des Kommissars.Auf seinem Schreibtisch lag der Bericht eines Matrosen mit Namen Ole Oelnersle Oelner. Er gehörte zur Besatzung des Schoners »Harald Lemm«, der seine Fracht, es handelte sich um Bauholz, gelöscht und Stahlträger an Bord genommen hatte und ohne ihn mit dem Kurs nach Oslo ausgelaufen war.
    Der Seemann aus Stavanger hatte sich mit englischen Matrosen am Tresen der Hafenkneipe »Kumm wedder« angelegt und bei der hitzigen Auseinandersetzung vor dem Lokal in der Dunkelheit nicht nur eine gehörige Portion Prügel eingesteckt, sondern auch seine goldene Taschenuhr samt Kette und das Portmonee mit seiner

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