13 - Wo kein Zeuge ist
hat.«
Barbara fügte hinzu: »Und dieses Spielchen, dass Jungen von dem Albino hierher gebracht werden und später mit einem anderen Mann weggehen, hat hier wieder und wieder stattgefunden, Ibrahim, also versuchen Sie erst gar nicht, uns zu erzählen, Sie wissen nichts davon.« Sie hielt dem Nachtportier die beiden Phantombilder hin und fuhr fort: »Er könnte so ausgesehen haben, der Mann, mit dem der Junge weggegangen ist. Ja? Nein? Können Sie das bestätigen?«
Er sagte nervös: »Mein Englisch ist wenig. Ich habe hier Pass.« Und er trat von einem Fuß auf den anderen, wie jemand, der dringend zur Toilette musste. »Leute kommen. Ich gebe ihnen Karte zu unterschreiben und Schlüssel. Sie zahlen bar. Das ist alles.« Er krallte die Hand in Schrittnähe in den Schlafanzug. »Bitte«, sagte er und warf einen Blick über die Schulter.
Barbara murmelte: »Verflucht noch mal.« Und zu Lynley: »›Ich pinkel mir gleich in die Hose‹ hat er in seinem Englischkurs vermutlich noch nicht gelernt.«
Das Zimmer hinter dem Mann lag im Dunkeln. In dem Lichtstreifen, der vom Korridor hineinfiel, konnte sie sehen, dass sein Bett zerwühlt war. Er hatte definitiv geschlafen, aber ebenso definitiv war er irgendwann von irgendwem instruiert worden, seine Antworten immer so knapp wie möglich zu halten und nichts zuzugeben. Barbara wollte Lynley gerade vorschlagen, dass es sicher seine Zunge lösen werde, wenn sie ihn zwangen, seine Blase noch zwanzig Minuten zu kontrollieren, als ein kleiner Mann im Abendanzug den Flur entlanggehastet kam.
Das kann nur Mr. Tatlises sein, dachte Barbara. Seine fröhliche Miene wirkte so aufgesetzt, dass sie ausreichte, ihn zu identifizieren. Er sagte mit schwerem türkischen Akzent: »Mein Neffe, sein Englisch ist reparaturbedürftig. Ich bin Mr. Tatlises, und ich helfe Ihnen gern weiter. Ibrahim, ich kümmere mich hierum.« Er scheuchte den Jungen zurück in sein Zimmer und schloss selbst die Tür. »Also?«, fragte er aufgeräumt. »Sie brauchen irgendetwas, ja? Aber kein Zimmer. Nein, nein, das hat man mir schon gesagt.« Er lachte und schaute von Barbara zu Lynley mit einem Blick, der sagte: ›Wir Jungs wissen, wo wir ihn reinstecken wollen‹, sodass Barbara nicht übel Lust hatte, den kleinen Wurm in ihre Faust beißen zu lassen. Denkst du im Ernst, irgendeine Frau will es mit dir treiben?, wollte sie ihn fragen.
»Uns wurde gesagt, dass dieser Junge hier von einem Mann namens Barry Minshall in dieses Haus gebracht wurde.« Lynley zeigte Tatlises die Fotos. »Der Junge verließ das Hotel in Begleitung eines anderen Mannes, der, so glauben wir, Ähnlichkeit mit diesem Mann hat. Havers?«
Barbara zeigte Tatlises die Phantombilder.
»Für den Moment brauchen wir nur Ihre Bestätigung dieser Punkte.«
»Und danach?«, fragte Tatlises. Er hatte die Fotografien und Zeichnungen mit einem flüchtigen Blick gestreift.
»Sie sind nicht in der Position, zu fragen, was danach geschieht«, eröffnete Lynley ihm.
»Dann weiß ich nicht, wie ...«
»Hör'n Sie, Freundchen«, unterbrach Barbara. »Ich schätze, die kleine Stiefeleinsprüherin da unten hat Ihnen erzählt, dass wir nicht von der Wache um die Ecke kommen. Wir sind nicht zwei Bullen, die sich ihr neues Revier anschauen und einen Batzen Geld von Typen wie ihnen einstreichen, wenn es das ist, was Ihren Laden hier am Laufen hält. Hier geht es um etwas, das ein bisschen größer ist, also schlage ich vor, falls Sie wissen, was in diesem Müllhaufen abgelaufen ist, machen Sie den Mund auf und sagen es uns. Okay?« Sie zeigte mit dem Finger auf Minshalls Bild. »Dieser Typ hier hat uns erzählt, dass einer seiner Kumpels von einer Gruppe namens MABIL sich hier in diesem Hotel am Achten mit einem dreizehnjährigen Jungen getroffen hat. Minshall behauptet, das komme regelmäßig vor, da jemand von diesem Hotel - und ich tippe mal, Sie sind das - ebenfalls zu MABIL gehört. Wie klingt das für Sie?«
»MABIL?«, fragte Tatlises und blinzelte, um Verwirrung vorzutäuschen. »Das ist jemand ...?«
»Ich gehe davon aus, Sie wissen, was MABIL ist«, sagte Lynley. »Ich gehe ebenso davon aus, das Mr. Minshall bei einer Gegenüberstellung keine Mühe hätte, Sie aus einer Reihe von Männern als das ihm bekannte MABIL-Mitglied, das hier arbeitet, zu identifizieren. Wir können uns das alles ersparen, und Sie können seine Geschichte bestätigen, den Jungen identifizieren und uns sagen, ob der Mann, mit dem er das Hotel verlassen hat, einer
Weitere Kostenlose Bücher