130 - Das Mädchen mit den Monsteraugen
Ich möchte dabei sein, wenn Sie Kontakt aufnehmen mit den Eingeborenen . .. Ich kann Ihnen sicher helfen, da ich mit dem Dialekt gut zurechtkomme. Vuluvulu liegt quasi vor meiner Haustür .«
»Na, wunderbar!«
Sie sagte nicht, daß sie einen anderen Grund hatte, mit nach Vuluvulu zu gehen. Es zog sie beinahe magisch dorthin, und sie wurde das Gefühl nicht los, daß dort und im »Tal der Ur-Träume« der Schlüssel zu dem alptraumhaften Erlebnis lag, in das sie geraten war.
Sie legte sich schon in Gedanken zurecht, wie sie sich dort verhalten und was für Fragen sie stellen würde.
Aber es kam anders. Schon in der nächsten Minute, denn aus dem Dunkeln jenseits des Lichtscheines vom Lagerfeuer trat jemand, den Vivian Mail am wenigsten hier erwartet hätte.
Die Augen der Frau weiteten sich, und ungläubiges Erstaunen spiegelte sich in ihnen.
Ihre Lippen bewegten sich, und wie ein Hauch klang ihre Stimme, als sie sagte: »B-e-t-t-e ?«
Die Gestalt in dem hellen Sommerkleid mit den roten Punkten war niemand anders als die angeblich Ermordete ...
*
Der Job war langweilig, aber wichtig.
Solange sie jedoch nicht wußten, wie was zusammenhing, war es einfach notwendig, die Leiche der Ermordeten im Auge zu behalten, und zwar lückenlos. So erforderten es einfach die Umstände.
Vanessa Merlin hatte sich vom Friedhofsverwalter eine Wolldecke geben lassen und sich in eine Ecke der Leichenhalle gesetzt. Eingehüllt in die wärmende Decke und beim Blättern in einem Magazin verstrichen die Minuten nur träge.
Aber diese Zeit würde auch herumgehen. Vanessa war sicher, bald abgelöst zu werden, da sie wichtigere Aufgaben an anderer Stelle erwarteten. Sobald Larry einen passenden Vertreter gefunden hatte, würde dieser Auftrag für sie zu Ende gehen.
Der Blick der schönen, dunkelhaarigen Frau glitt immer wieder zu der Bahre, die in ihrem Blickfeld stand. Unter dem weißen Laken zeichnete sich er Umriß des schlanken, reglosen Körpers ab. Mehr als einmal erhob sich Vanessa und schlug das Laken zurück, um sicher zu gehen, daß ihr keine falschen Bilder vorgegaukelt wurden. Nein, es war alles unverändert! Die junge Frau mit der durchschnittenen Kehle lag kalt und starr auf ihrer Bahre. Vanessa notierte sich den Zeitpunkt ihrer Kontrollen genau, falls die seltsame Erscheinung an einem anderen Ort noch mal auftauchen sollte. Dann konnte sie nachweisen, daß hier die ganze Zeit die Leiche sich in keiner Weise verändert hatte.
Sie tastete die Tote ab. Vanessa wußte nur zu gut, daß man sich nicht immer auf seine Sinne verlassen konnte. Halluzinationen und Trugbilder kamen immerhin vor.
Sie fühlte die kalte, feste Haut.
Wie mit Larry vereinbart, knipste sie außerdem bei diesen Kontrollgängen mit einer Sofortbildkamera jeweils ein Bild.
Auch darauf erschien die Leiche.
Keine besonderen Vorkommnisse!
Aber das änderte sich schnell...
Das Geschehen kam jedoch aus einer anderen Ecke.
Weiter hinten, wo die Bahre mit der abgedeckten Leiche Piet deJongs lang, rührte sich etwas.
Im Halbdunkeln drückten zwei Hände das Laken zurück.
Es raschelte leise, aber Vanessa Merlin bekam dieses Geräusch nicht mit, weil sie im gleichen Moment selbst eines verursachte.
Sie blätterte die Seiten ihres Magazins um und las über die neuesten Skandale und den Klatsch aus der Filmwelt.
Im Hintergrund richtete Piet deJong sich auf, als hätte er einen geheimnisvollen Befehl empfangen und belebenden Odem, der seinen toten Leib aktivierte!
Die nackte Leiche, die zwei lange frische Operationsnarben auf Brust und Magen aufwies und eine dritte rund um den aufgeschnittenen Schädel, weil auch das Gehirn untersucht worden war, löste sich von der Bahre.
Dieser Piet deJong mit den Monsteraugen hatte auch in anderer Hinsicht keine Ähnlichkeit mehr mit dem begeisterungsfähigen und aktiven Mann, mit dem sie vorletzte Nacht noch getanzt hatte.
Mit steifen, roboterhaften Bewegungen und ausgestreckten Armen erinnerte er in der Gestik an das legendäre Filmmonster »Frankenstein«, das sich aufgemacht hatte, ein neues Opfer einzufangen.
Und genau das war der Auftrag, den Piet deJong hatte, von dem er jedoch nichts mehr wußte, weil er ein willen-, geist- und seelenloses Geschöpf war. Eine Marionette, von teuflischem Willen aus einer fernen, urwelthaften Zeit gesteuert, einem Willen, der durch einen geheimnisvollen und bis jetzt noch unbekannten Vorgang geweckt worden war.
Dieser Wille arbeitete in Piet deJong, war in ihm
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