Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
130 - Das Mädchen mit den Monsteraugen

130 - Das Mädchen mit den Monsteraugen

Titel: 130 - Das Mädchen mit den Monsteraugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
Vom Netzwerk:
sag’ es mir, damit ich endlich ... verstehe ...«
    Die Achtzehnjährige war umringt von den schwarzbraunen, behaarten Aborigines. Beinahe ehrfürchtig starrten sie sie an, wie ein schöne weiße Göttin, die sie verehrten, deren Haut in der Tat makellos war.
    Aber sie kamen ihr keinen Schritt zu nahe, hielten Abstand und schienen auf weitere Anordnungen zu warten.
    Vivian Mail geriet selbst in den Bann dieser jungen Frau, die ihre Tochter war, daran gab es keinen Zweifel.
    »Du irrst dich«, reagierte Bette da zum erstenmal, und ein amüsiertes, grausam wirkendes Lächeln spielte um ihre schönen Lippen. »Du sprichst mich immer mit einem Namen an, der für mich bedeutungslos ist. Ich bin nicht - Bette ...«
    »Doch! Du bist Bette, meine Tochter !«
    »Du irrst, Frau aus dem Dorf... Vielleicht sehe ich deiner Tochter nur ähnlich .«
    »Eine solche Ähnlichkeit gibt es nicht! Die Farbe der Augen ... die feine, aristokratische Nase, der Mund, das Kinn, die Grübchen ... die ganze Lieblichkeit ihres Wesens, die sie so vortrefflich betonen konnte ... Du bist nicht tot.. . Das Ganze war ein abgekartetes Spiel, wahrscheinlich sogar abgesprochen mit deinem Vater, um mich endgültig in den Wahnsinn zu treiben. Ich wäre nicht der erste Mensch, dem man auf diese Weise übel mitspielt. Ich weiß nicht, wie lange diese Horror-Show anhalten soll. .. Wahrscheinlich so lange, bis ich kein vernünftiges Wort mehr von mir geben und nur noch wie ein Idiot lallen kann. Du bist Bette Mail! Ich kenne doch deine Stimme, Bette, oder glaubst du, daß ich schon so erledigt bin, sie nicht mehr wahrzunehmen? Soll das ein Test sein ?«
    »Ich bin nicht Bette , Frau aus dem Dorf. ..«
    »Wer bist du dann? Und warum - sagst du nicht Vivian zu mir? Du hast mich doch seit elf Jahren nicht mehr mit >Mutter< angesprochen .«
    »Ich bin Bollongalla, die aus der Erde kommt...«
    »Was soll der Unsinn? Wie soll ich das verstehen ?«
    »So, wie es wirklich ist. Ich bin Bollongalla. Daran wirst auch du nichts ändern .«
    Vivian Mail stand eine halbe Minute da und starrte die schöne junge Frau nur an.
    »Wie alt bist du, Bet... Bollongalla ?« zwang sie sich, diesen Namen zu benützen.
    »Achtzehn.«
    »Wo bist du geboren ?«
    »In - der Erde. Ich komme aus der Erde ...«
    In den Ohren eines Außenstehenden, der die Lebensart der Aborigines und ihr religiöses und kultisches Erbe nicht kannte, klang eine solche Antwort absonderlich und unverständlich. " Nicht so in Vivian Mails Ohren.
    In der mythischen Überlieferung der Eingeborenen war die Rede von vorzeitlichen Kulturbringern, die einzeln, paarweise oder in Gruppen aus der Erde kamen. Mit und in der Erde hat alles angefangen, behaupteten die Aborigines.
    »Du bist aber eine Weiße und keine Eingeborene«, widersprach Vivian Mail erneut.
    »Dennoch komme ich aus der Erde ...«
    Sie sprach ein ausgezeichnetes Englisch.
    »Wer hat dich deine Sprache gelehrt? « wollte Vivian Mail wissen.
    »Meine Lehrer.«
    »Du hattest mehrere ?«
    »Ja. Einen Weißen - und einen Schwarzen ...«
    »Das heißt - du sprichst auch die Sprache der Eingeborenen ?«
    »Natürlich.«
    Hier gab’s den ersten Unterschied im Wesen zu Bette. Sie hatte einige Eingeborenendialekte nur bruchstückhaft gesprochen und verstanden.
    Vivian Mail konnte den Blick nicht von ihrem Gegenüber nehmen.
    Sie glaubte, sich in einem Spiegel zu sehen, als sie so alt war wie jenes Mädchen, das jetzt vor ihr stand. Bette und damit dieses Mädchen, das von sich behauptete, Bollongalla zu heißen, war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Alle hatten immer gesagt, daß Bette die betörende Schönheit ihrer Mutter geerbt hätte.
    »Aus der Erde ... du kommst aus der Erde«, hörte Vivian Mail sich plötzlich murmeln. In ihren Ohren rauschte das Blut, und jene Nacht vor achtzehn Jahren kam ihr wieder in den Sinn, als sie unweit von Vuluvulu nieder kam und ihre Tochter in einer flachen Erdmulde zur Welt brachte.
    Sie war während der Geburt halb bewußtlos gewesen und konnte sich an Einzelheiten nicht mehr erinnern. Ihr Wimmern und Schreien war im Dorf gehört worden. Verschwommen tauchten in der Erinnerung Gestalten auf. Männer und Frauen. Eingeborene ... Aber auch ein Weißer! Sie sah das Gesicht vor sich. Harte, ausgemergelte Züge, das Gesicht eines Asketen, ein Mann mit hohlen Wangen und tiefliegenden Augen. Augen, in denen der fiebrige Glanz der Besessenheit flackerte!
    Die Stunde der Geburt... Vivian Mail versuchte jede Einzelheit dieses

Weitere Kostenlose Bücher