1300 - Die Templerin
Sie?«
»Rosanna. Ich habe die Initiative ergriffen und bin mit meinen Freundinnen nach Coleda gekommen.«
Allmählich näherten wir uns dem eigentlichen Thema. »Aber ist das für Sie nicht zu langweilig? Hier gibt es keine Ablenkungen, rein gar nichts. Da müssten Sie doch…«
Sie sprach in meinen Satz hinein. »Bitte, Señor Sinclair, hatten die frommen Frauen früher auch Ablenkungen? Ich denke nicht. Sie waren sich selbst genug. Das ist auch bei uns der Fall. Wir werden diese Einsamkeit einige Tage genießen, damit wir etwas von der Atmosphäre des Klosters zu spüren bekommen.«
Das war gut gesagt. Nur glaubte ich Rosanna nicht. Wenn sie log, dann perfekt.
»Muss ich es so verstehen, dass wir hier auf einem besonderen Boden stehen? War das Kloster etwas Besonderes?«
»Ja.«
»Wollen Sie es mir sagen?«
»Nein, das würde zu weit führen. Außerdem sind Sie ein Mann, Señor Sinclair. Hier sollten Sie wirklich uns Frauen das Feld überlassen. Das wäre besser.«
Rosanna hatte die Worte so leicht dahingesagt, aber ich hatte den Unterton in ihrer Stimme nicht überhört. Es konnte durchaus eine Warnung an mich gewesen sein, und ich fragte mich, wie lange sie hier bereits stand und was sie gesehen hatte.
Plötzlich stand das Schweigen zwischen uns. Da war wieder die unsichtbare Mauer. Rosanna wollte nicht sprechen, und auch ich wartete ab. Einige Sekunden später war ich es Leid. Nichts zu sagen, brachte mich nicht weiter. So hob ich die Schultern und sagte in einem lässigen Tonfall: »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wollen Sie nicht, dass sich auch Männer oder Fremde hier aufhalten?«
»Das stimmt.«
»Warum sind Sie so hart?«
»Sie würden uns stören.«
»Wobei?«
Rosanna trat noch näher an mich und hob ihre Augenbrauen.
»Sie fragen wie ein Polizist und…«
»Ich bin nur eben neugierig. Deshalb kam ich auch vom Weg ab und habe mich hier praktisch verlaufen.«
»Das mag stimmen…«
»Aber?«
Die Antwort wurde von einem Lächeln begleitet. »Ich sehe es etwas anders, Señor.«
»Darf ich fragen wie?«
»Klar, das dürfen Sie. Ich habe Sie als sehr interessiert erlebt, Señor Sinclair.«
»Das müssen Sie mir erklären.«
Ich drehte mich auf der Stelle und hoffte, dass Rosanna mir meine gespielte Unsicherheit abnahm. »Es ist doch so«, sagte ich, »wenn jemand hierher kommt, dann sieht er die Ruinen. Das ist zwangsläufig der Fall. Aber bei genauem Hinschauen liegen die Dinge etwas anders. Dann muss der Besucher zwangsläufig über eine Figur stolpern, die auch mir aufgefallen ist.«
»Ja, das sah ich. Sie haben sie sehr intensiv betrachtet. Sie sind sogar recht nahe an sie herangegangen, als wollten Sie etwas Bestimmtes herausfinden.«
»Sie interessierte mich einfach. Wenn mich nicht alles täuscht, stellt sie eine Frau dar.«
»Das ist richtig.«
»Aber ich glaube nicht, dass sie die Zeiten überlebt hat«, sagte ich und runzelte die Stirn, um die Frau vor mir auch durch mein dazugehöriges Lächeln in Verlegenheit zu bringen.
»Wie kommen Sie darauf?«
»Ganz einfach. Es passt nicht in die Zeit hinein, wenn Sie verstehen. Diese Figur sieht mir neuer aus. Sie scheint mir später entstanden zu sein.«
»Sie haben Recht.«
»Danke.«
Rosanna setzte sich mit kleinen Schritten in Bewegung. Plötzlich war ich für sie uninteressant geworden, und auch als sie mich passierte, bedachte sie mich mit keinem Blick.
Ihr Ziel war die Figur!
Ich ließ sie gehen, und erst als sie dieses »Kunstwerk« fast erreicht hatte, folgte ich ihr. Neben ihr blieb ich stehen. Obwohl sich unsere Körper beinahe berührten, schaute sie nicht mich an, sondern starrte nur gegen das Kunstwerk.
»Man kann die Frau erkennen«, sagte ich leise.
»Das soll man auch.«
»Hat sie einen Namen? Oder hat es einen Namen?«
»Sie heißt Konstanza.«
»Oh. Der Name ist wunderschön und…«
»Reden Sie nicht. Es geht um sie. Um eine Vorreiterin.« Der Unmut aus ihrer Stimme verschwand. »Konstanza war eine Befreierin. Sie hat die verfluchten Fesseln der starren Kirche gesprengt. Sie hat sich einen eigenen Weg gesucht und…«
»War sie die Oberin des Klosters?«
»Nein. Sie hat im Kloster nur für eine sehr kurze Zeit gelebt. Aber sie hat damals eine Revolution geschafft, die einmalig ist. In den Geschichtsbüchern wird darüber kaum geschrieben. Nur wenige sind eingeweiht, aber die wenigen, die es wissen, haben ihr dieses Denkmal gebaut. Als Erinnerung an sie.«
»Hört sich ja gut an«, sagte
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