1303 - Blut für das Disco-Trio
»Noch eine Frage. Ist die Presse hier?«
»Nein, glaube ich nicht. Ich habe auch keinem Bescheid gesagt. Hätte ich gewusst, dass ihr wieder zu dritt seid, dann hätte ich…«
Mitten im Satz stockte er.
»He, was ist?«, fragte Anastasia.
Murray Kane schüttelte den Kopf. Er sagte nichts. Er schaute sie auch nicht an, sein Blick galt den Spiegeln, die an der Wand hingen.
Darin sah er sich, aber nicht die drei Sängerinnen.
»Sag was!«
Kane schüttelte den Kopf. Er schwitzte noch stärker. Dann stöhnte er leise auf »Sag was!«, forderte auch Michelle.
»Scheiße«, flüsterte er, »das… das … glaube ich einfach nicht. Das kann nicht sein.«
»Was kann nicht sein?«
Murray Kane hob langsam den rechten Arm. Den mittleren Zeigefinger streckte er aus und deutete dabei auf einen Spiegel.
»Verdammt, verdammt«, flüsterte er. »Was ist das? Ich sehe euch alle nicht im Spiegel. Nur mich…«
Die drei schauten sich an Sie nickten sich synchron zu. Zu sagen brauchten sie nichts, denn dieses Nicken hatte das Schicksal des Mannes praktisch besiegelt, und Ana übernahm die Initiative.
Mit einem schnellen Schritt hatte sie den Mann erreicht und baute sich vor ihm auf.
»Wie meinst du das denn, Kane?«
Der Veranstalter zuckte zurück. Er schaute noch mal zu den Spiegeln hin, über die das gelblich-trübe Licht floss.
»Wieso kann ich euch nicht sehen?«
Mit einer knappen Handbewegung holte Anastasia ihre beiden Freundinnen zu sich heran.
»Deshalb«, flüsterte sie.
Einen Moment später öffnete sie den Mund. Sekunden später taten Sheena und Michelle das Gleiche.
Nie zuvor hatten die Sängerinnen einen derartig erstaunten Ausdruck im Gesicht eines Menschen gesehen. Er war kaum zu beschreiben, und Anastasia gab die Erklärung ab.
»Vampire haben kein Spiegelbild…«
***
Den Satz hatte jeder gehört. Besonders auch derjenige, an den er gerichtet war. Trotzdem reagierte Murray Kane nicht. Er war wirklich zu Beton geworden. Nur seine Augen bewegten sich. Er schaute den Sängerinnen der Reihe nach in die Gesichter. So unterschiedlich sie aussahen, so sehr glichen sie sich, denn die Veränderungen waren bei ihnen gleich.
Sechs spitze Zähne, die aus ihren Oberkiefern ragten und sie zu dem machten, was sie in Wirklichkeit waren.
Kane war kein Dummkopf. Er kannte sich in den verschiedenen Szenen aus. Nicht nur in der Musik. Er wusste auch genau, wer welche Musik hörte. Von den Rockern über die Punker, bis hin zu den Satanisten. Die Gruppe um Alice Cooper war ihm ebenfalls ein Begriff und eigentlich auch alles, was damit zusammenhing.
Vampire!
Es gab ja welche, die sich als Vampire auf die Bühne stellten und bei ihren Songs finstere Drohungen ausstießen.
Ja, die gab es…
Und genau diese Tatsache ließ seinen Schreck verschwinden. Er war froh, dass es ihm eingefallen war, und so reagierte er völlig anders, als es sich die Blutsaugerinnen gedacht hatten.
Murray Kane begann zu lachen. Er riss seinen Mund auf, lachte und ging dabei leicht zurück. »Super ist das, super. Ihr seid toll. Die drei Vampir-Girls. Das wäre es doch. Ein starker Auftritt. Ist auch nicht schlimm, dass ihr mir zuvor nichts gesagt habt, aber ihr seht verdammt echt aus. Tatsache.«
»Wir sind echt!«, flüsterte Anastasia.
»Unsinn, ihr…«
»Schau in den Spiegel, Kane!«
Er tat es nicht sofort. Etwas musste ihn gestört haben. Möglicherweise war er auch wieder ins Nachdenken gekommen. Er suchte eine Lücke, um in einen Spiegel blicken zu können.
Er sah sich, nicht die Sängerinnen!
In seinem Kopf klirrte es. So dachte er zumindest. Da war etwas zusammengebrochen. Er flüsterte: »Nicht wirklich – oder?«
»Doch, wir sind es!«, versprach Anastasia.
Murrays Gesicht verzerrte sich. Er wusste, dass er jetzt etwas tun musste. Wenn es sich bei ihnen wirklich um Vampire handelte, dann brauchten sie Blut, denn sie waren ständig hungrig. Das jedenfalls kannte er aus den entsprechenden Filmen. Für ihn gab es nur eine Chance. Er musste sich wehren und ihnen zuvorkommen, und dabei war ihm einfach alles egal.
Mit einem Sprung nach hinten schaffte er Distanz zwischen sich und ihnen. Er bekam genau die Zeit, um seine Waffe zu ziehen.
Jetzt fühlte er sich besser. Als er den Schlitten der Pistole zurückzog, verzerrten sich seine Mundwinkel.
»Wir werden sehen, wer hier der Gewinner ist!«, keuchte er.
»Okay, ich zeige es euch!«
Murray Kane war nicht mehr zu halten. Er brannte innerlich. Er wollte es ihnen zeigen,
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