1315 - Das Lied von Blut und Tod
ich!
Zwar hatte ich mich von Suko verabschiedet, doch der verdammte Fall ließ mich einfach nicht los. Er war wie ein Tier, das seine Klauen ausgestreckt hatte, und die bissen sich jetzt in meinem Gehirn oder in meinem Geist fest.
Wir hatten etwas übersehen!
In meiner Wohnung hatte ich die schlechte Luft durch das Öffnen eines Fensters vertrieben. Ich hielt mich vor dem Rechteck auf und schaute in die Dunkelheit, darüber grübelnd, was da falsch gelaufen war oder was ich übersehen hatte.
In meiner rechten Hand hielt ich eine Dose mit Wasser. Die Kühle der Tropfen spürte ich auf der Haut und runzelte dabei die Stirn.
Bei mir ein Zeichen, dass ich angestrengt nachdachte.
Noch einmal lief der Fall vor meinem geistigen Auge ab, wobei ich den Aibon-Fall ausklammerte. Es ging jetzt einzig um Michael oder Mike und Mona.
Vampire! Nein, das waren sie nicht. Aber sie gehörten zu den Fans der Blutsauger, und das so stark, dass sie sich wahrscheinlich danach sehnten, so zu sein wie sie.
Eine furchtbare Vorstellung für einen normalen Menschen. Doch wer wusste schon, was in deren Köpfen vorging? Ich nicht. Ich war auch nicht dazu gekommen, ihnen Fragen zu stellen und hatte sie eigentlich bei den Kollegen in guter Verwahrung gewusst.
Pech gehabt.
Sie waren geflohen!
Ich setzte die Dose an, trank wieder einen Schluck und grübelte weiterhin nach. Um ihr Vampirdasein zu dokumentieren, hatten sie sich Gebisse besorgt. Nicht diese billigen Plastikdinger, die man zu Halloween zeigt, sondern welche, die aus verdammt hartem Stahl bestanden. Und sie hatten auch nicht unbedingt ausgesehen wie Vampirgebisse. Mich hatten sie mehr an die Zähne von Raubtieren erinnert, denn sie bestanden aus zahlreichen Spitzen.
Das war nicht gut. Damit konnte man einen Menschen nicht nur beißen, sondern ihm auch große und sehr schmerzhafte Wunden zufügen. Sie würden dann Blut verlieren, auf das die falschen Vampire so scharf waren.
Ich schüttelte den Kopf und trat vom Fenster zurück, das ich zwar schloss, aber gekippt hielt. Die Dose nahm ich mit und ließ mich in einen Sessel fallen.
Menschen angreifen. Ihnen Wunden zufügen. Das Blut aus ihnen trinken. Verdammt, das war doch nicht normal! Wenn das passierte, dann fiel es auf. Das musste gemeldet werden.
Die Menschen ließen es nicht zu. Sie würden es sich nicht gefallen lassen und zur Polizei gehen.
Genau das war es – die Polizei!
Dass ich nicht schon früher daran gedacht hatte. Aber manchmal hat man eben ein Brett vor dem Kopf. Da sieht man den berühmten Wald vor lauter Bäumen nicht.
Jetzt hielt mich nichts mehr in meinem Sessel. Der nächste Weg führte mich zum Telefon, das ich aus der Station hob und beim Yard anrief. Sofort ließ ich mich mit Frank O’Hara verbinden.
Seine Stimme klang noch immer frisch. »Was vergessen, John?«
»Exakt.«
»Ich höre.«
Ich legte ihm mein Problem offen. Ich wollte von ihm wissen, ob es Fälle gegeben hatte, bei denen Menschen gebissen worden waren. Nicht getötet, nur angefallen und gebissen.
»Das kann schon sein, John. Sie wissen ja selbst, was in dieser Stadt alles an Kranken herumläuft. Aber sind Sie sicher, dass dieses Fälle für unsere Organisation sind?«
»Nicht unbedingt…«
»Ha…«
»Moment«, sprach ich schnell weiter und fand meinen Platz auf einer Sessellehne. »Ich denke da auch an die Metropolitan Police. Die Computer sind vernetzt. Wenn diese Fälle aufgetreten sind und Menschen zur Polizei gehen, dann sicherlich nicht sofort zum Yard, sondern zu den uniformierten Kollegen.«
»Da ist was dran.«
»Und es ist einen Versuch wert.«
Frank O’Hara handelte in meinem Sinne. »Ich werde sehen, was ich für Sie tun kann, John.«
»Danke.«
»Wo erreiche ich Sie?«
Er bekam von mir meine private Telefonnummer. Von nun an blieb mir nichts anderes übrig als zu warten. Wenn ich auf mein Gefühl achtete, dann sah ich die Dinge positiv. Ich war davon überzeugt, so etwas wie einen Hinweis zu finden, dem ich nachgehen konnte.
Der Fall bereitete mir große Sorgen. Ich ärgerte mich auch darüber, dass wir dieses Geschwisterpaar aus den Augen gelassen hatten. Alles im Leben hat zwei Seiten. Wäre das nicht geschehen, wäre es nicht passiert, dann hätte es diese Gestalt aus Aibon möglicherweise geschafft, ein junges Mädchen zu rauben, um es im Paradies der Druiden gefangen zu halten. Jetzt war nur zu hoffen, dass wir noch rechtzeitig genug eingreifen konnten. Die Geschwister waren auf dem Weg in eine
Weitere Kostenlose Bücher