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1315 - Das Lied von Blut und Tod

1315 - Das Lied von Blut und Tod

Titel: 1315 - Das Lied von Blut und Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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sich davon nicht beeindrucken. Sie war voll und ganz in ihr Spiel versunken. Es gab für sie nichts anderes in der Welt als ihre Geige und die damit erzeugten Melodien.
    Die blassen Kerzen standen in langen Ständern oder kleinen Kandelabern. Sie alle waren schwer genug, um auf dem kalten Steinboden nicht umzukippen. Allmählich verschwand die Dunkelheit aus dem Raum, und der noch immer vor der Tür stehende Mike sah die Szenerie wie ein prächtiges Bühnenbild vor sich.
    Ihm gefiel, was er sah. Schließlich entstammte die Einrichtung zum Teil seinen Ideen.
    Es gab keine Stühle, keine Bänke, und trotzdem konnte man sitzen, denn auch Vanessa saß.
    Sie hatte ihren Platz auf einem hohen Steinsarg gefunden, angeleuchtet vom Licht mehrerer Kerzenflammen, die ruhig in ihrer Nähe brannten. Dort spielte sie weiter. Dass sich Mona um sie herum bewegte, störte sie nicht. Vanessa war in sich selbst versunken.
    Sie hatte die Geige gegen den Hals gedrückt, hielt den Kopf beim Spiel gesenkt und schaute dem Bogen nach, der über die Saiten glitt.
    Für die Umgebung hatte sie keinen Blick. Und die war der Dunkelheit entrissen worden.
    Alte Grabsteine hatten die Geschwister heranschaffen lassen und aufgestellt. Manche standen schief und sahen aus, als würden sie jeden Augenblick kippen. Andere wiederum schimmerten grünlich, als wären sie erst frisch vom Friedhof hergeschafft worden.
    Drei Steinsärge hatten ihren Platz in der Kapelle gefunden. Mike liebte sie. Sie gehörten zu seinem Vorbereitungsprogramm, und ein Sarg war für ihn der ideale Schlafplatz. Er legte sich oft hinein und stellte den Deckel dabei so, dass er auch Luft bekam. Er hoffte auf eine Zeit, wo er das nicht mehr musste, dann war er zu einem echten Blutsauger geworden. Genau das war sein Ziel.
    Mona war mit ihrer Arbeit fertig. Sie hatte alle Kerzendochte angezündet und blieb im Hintergrund stehen, praktisch der Tür gegenüber. Bisher hatten die Geschwister mit Vanessa noch nicht gesprochen. Sie spielte weiter, bis sie einen bestimmten Punkt erreicht hatte und ihr Instrument sinken ließ.
    »Ich habe auf euch gewartet«, sagte sie mit leiser Stimme und strich ihr rabenschwarzes Haar zurück, das ein bleiches Gesicht umrahmte, dem auch das leichte Flackerlicht der Kerzen kaum Röte geben konnte. Im farblichen Gegensatz zu ihrem Haar stand das Kleid, das sie trug. Es war weiß, doch von einem besonderen Weiß.
    Nicht strahlend. Eher blass. Ein Totenhemd, das schon länger den Körper einer Leiche umgab, besaß ebenfalls die Farbe. Nur war das Kleid aufwändiger geschneidert worden als eben ein Leichenhemd.
    Hoch bis zum Hals geschlossen. Schmal in der Taille, aber weit als Rock oder Unterteil geschnitten. Der Saum reichte hinab bis zu den Knöcheln. Er verdeckte sogar die Schuhe.
    Und doch gab es einen Farbklecks. Er hatte nichts mit der Kleidung Vanessas zu tun. Es handelte sich um ihre Geige. Sie war das Besondere an ihr. Zumindest von der Farbe her. Man hätte sie als rot bezeichnet. Tatsächlich besaß sie die Farbe von Ochsenblut. Da sie jetzt auf den Knien der jungen Frau lag, malte sie sich besonders gut ab.
    Mike nickte der Geigerin zu. »Dein Spiel war wunderbar«, flüsterte er.
    »Ich danke dir.«
    Er sprach weiter. Auf seinem Gesicht zeichnete sich dabei das Gefühl der Sehnsucht ab. »Es hat Träume und Wünsche in mir geweckt, die ich gern in die Wahrheit umwandeln würde.«
    »Du wirst es schaffen.«
    »Ich weiß. Aber ich möchte nicht so lange warten.«
    »Das brauchst du auch nicht.«
    »Wieso?«
    »Es wird bald geschehen. Ich weiß es, ich fühle es.« Vanessa schaute hoch, aber auch ins Leere hinein. »Es kann sein, dass es noch in dieser Nacht geschieht.«
    Ein leiser Schrei der Überraschung verließ Monas Mund. »Noch in dieser Nacht?«
    »Daran glaube ich.«
    Mona stellte sich neben Vanessa. »Wie wird es denn geschehen? Bitte, das musst du…«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte sie traurig und senkte wieder den Kopf. »Ich würde es so gern wissen, aber das ist nicht zu schaffen. Ihr müsst es verstehen.«
    »Ja, ja, das ist uns klar. Was meinst du, Mike?«
    »Ich höre es gern.« Er löste sich von seinem Platz, schlängelte sich zwischen den Särgen und Grabsteinen hindurch. Hin und wieder streichelte er die Gegenstände mit dem Handrücken, als wollte er sie auf eine besondere Art und Weise liebkosen.
    »Wir warten darauf, Schwesterherz.«
    »Zu lange.«
    »Nicht mehr lange«, flüsterte Vanessa. Sie strich eine Haarsträhne an

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