1315 - Das Lied von Blut und Tod
Justine Cavallo hing an seinem Hals wie eine Klette. Sie setzte ihr Versprechen in die Tat um und saugte ihr Opfer wirklich leer bis auf den letzten Tropfen Blut.
Erst dann ließ sie es los.
Der starre Körper sackte dem Boden des Sargs entgegen. Justine fing ihn nicht ab und ließ ihn schwer aufschlagen. Sie war mit sich und dem, was sie getan hatte, sehr zufrieden.
Mit einem Schritt trat sie vom Sarg weg. Sie geriet in den Schein der Kerzen, die ihr Flackerlicht an ihrem Körper hochsteigen ließen, sodass es aussah, als würde sie sich bewegen.
Um ihren Mund hatte sich noch Blut verteilt wie zerquetschte Rosenblätter.
Mit ihrer langen Zunge leckte sie es ab und erinnerte dabei an eine Katze, die sich auch die letzten Reste der Nahrung holte. Erst dann war Justine zufrieden.
Ein kurzer Rundblick!
Zwei Särge standen noch dort. Beide waren besetzt. Die blonde Bestie überlegte wirklich, ob sie noch mal zubeißen sollte, ließ es jedoch bleiben. Sie war satt genug und auch so tolerant, dass sie Mike Nahrung dalassen wollte, wenn er erwachte und einen wahnsinnigen Blutdurst verspürte. Er konnte sich beide holen. Sie war satt.
Sehr zufrieden bewegte sie sich auf den Ausgang zu. Jetzt war sie nicht mehr zu hören. Als sie ging, schien sie über den Boden zu schweben.
Justine öffnete die Tür. Sekunden später hatte die Nacht die blonde Bestie verschluckt.
***
Musik und Träume verirrten sich in das Unterbewusstsein der schlafenden Vanessa. Es hatte nichts damit zu tun, dass sie in einem Sarg lag, das war sie beinahe schon gewöhnt. Es lag einfach an der inneren Unruhe, die sie aus dem Wachzustand mit in den anderen hinübergenommen hatte und von der sie nun gequält wurde.
So sehr, dass sie plötzlich die Augen aufschlug. Das war kein langsames Erwachen und Hochsteigen aus der Tiefe. Sie war plötzlich wach und fand sich in der Realität des dunklen Sargs wieder.
Hellwach!
Gedanken machen. Überlegen. Sich auf sich selbst konzentrieren und auf nichts anderes.
Sie spürte ihren Rücken. Die Verspannungen, die in Schmerzen mündeten. Es gab in dieser steinernen Totenkiste keine weiche Unterlage. Das war kein Bett, das war kein Platz für einen Menschen, sondern nur für Tote. Aber sie lebte und spürte es mit jeder Phase ihres Körpers.
Das Gewicht der Geige. Sie lag auf ihrem Körper und schien doppelt so schwer geworden zu sein. Sogar der leichte Bogen kam ihr schwer vor.
Nein, das war nichts für sie. Ein Sarg gehörte den Toten und nicht den Lebenden. Deshalb wollte sie raus und die Nacht zwar in der Kapelle verbringen, aber nicht in einem Sarg. Sie konnte sich in die Ecke hocken und beim Schlafen gegen die Wand lehnen.
Ihr Blick glitt durch die viereckige Öffnung über dem Gesicht nach oben und nach außen.
Es war nicht finster in der Umgebung, denn das Licht der Kerzen glühte noch immer. Zwar waren sie weit heruntergebrannt und einige waren sicherlich schon erloschen, doch ein paar gaben noch etwas Licht ab.
Sie fürchtete sich nicht vor der Enge des Sargs. Vanessa sah in etwas anderem ein Problem. Zwar gehörte der Sarg zur kleineren Kategorie, aber auch er bestand aus Stein. Ebenso wie sein Oberteil, und der Deckel war verdammt schwer.
Sie hätte sich gegen ihn stemmen und ihn zu Boden werfen können. Das wollte sie nicht. Er wurde bestimmt noch gebraucht.
So versuchte Vanessa es auf eine andere Art und Weise.
Auf dem Rücken blieb sie liegen. Dann streckte sie die Arme hoch, winkelte sie aber zugleich an und drehte die Hände so, dass sie mit den Handflächen gegen die Unterseite des Deckels stieß.
Wenn sie nun genügend Kraft einsetzte, würde sich das schwere Ding bestimmt bewegen. Und dann konnte sie es auch irgendwann zur Seite drehen.
Tief Atem holen.
Das Zählen bis zur Drei!
Der Druck!
Es klappte schon beim ersten Versuch. Der schwere, aber auch recht schmale Deckel bewegte sich tatsächlich in die Höhe. Er kratzte über das Unterteil.
Da Vanessa ihn nicht fallen lassen und zerstören wollte, musste sie jetzt noch vorsichtiger zu Werke gehen und ihn sehr behutsam auf den beiden Rändern des Unterteils drehen.
Sie lauschte dem leisen Knirschen nach und drehte auch in dem doch recht engen Sarg ihren Körper so gut wie möglich nach links.
So wollte Vanessa die Bewegung auf den Deckel übertragen.
Sie erzielte auch weiterhin einen Erfolg. Die Öffnung über ihr veränderte sich. Das Rechteck gewann an Größe und auch an Schräge und verwandelte sich fast in ein
Weitere Kostenlose Bücher