1316 - Vampirhölle
Blut getrunken, es war einfach wunderbar gewesen.
Ab jetzt reichte ihnen nur das Blut. Auf eine andere Nahrung konnten sie verzichten.
Je näher sie dem Ziel kamen, umso unruhiger wurde Mona Delano. Sie rutschte auf dem Beinfahrersitz hin und her. Sie öffnete ihren Mund, zeigte die Zähne, schloss ihn wieder und stieß ab und zu ein heiseres Fauchen aus.
Mike legte seine linke Hand auf ihren Schenkel. »Du brauchst keine Angst zu haben. Es wird alles klappen. Es sind nur noch Minuten, Schwesterherz.«
»Ich will Blut!«
»Das bekommst du auch.«
Sie schabte mit den Händen über ihre Beine hinweg, malträtierte die Hüften, fuhr durch ihr Gesicht oder raufte ihre langen blonden Haare.
Die beiden waren Geschwister, aber keine Zwillinge, auch wenn sie auf den ersten Blick so wirkten. Das lange Haar, im Nacken zu Pferdeschwänzen gebunden, die recht schmalen Gesichter mit den gleichen Schnitten, die dünnen Lippen und natürlich die Augen, die irgendwie farblos wirkten und tatsächlich eine farbliche Mischung aus Grün und Blau waren. Allerdings sehr blass, und deshalb wirkten sie auch völlig kalt.
Mike wusste, wie er den gestohlenen Van zu lenken hatte. Er nahm nicht die offizielle Zufahrt. Es gab noch einen anderen Weg, der ihn mehr durch die Hinterhöfe führte. Es interessierte ihn auch nicht, dass er ein kurzes Stück durch eine Einbahnstraße fahren musste, wichtig war, dass er nicht auffiel. Niemand sollte sehen, wenn sie aus dem Van stiegen und den Rest der Strecke zu Fuß gingen.
Es gab eine alte Einfahrt, durch die der Wagen rollte. Sie hatten jetzt die Rückseite erreicht und stellten den Wagen auf einem Grundstück ab, das dem Haus gegenüberlag. Nur eine schmale Straße trennte sie noch von der Hintertür, zu der Mike einen Schlüssel besaß, den er ständig bei sich führte.
Sie stiegen aus. Steine lagen auf dem brach liegenden Grundstück. Hohes Unkraut war gewachsen. Ein Holzschild stand auf vier starken Beinen. Es war zu lesen, dass in naher Zukunft hier die Lagerhalle eines Lebensmittelkonzerns errichtet werden sollte. Bisher hatte man noch keinen Spatenstich getan.
Mona konnte es nicht erwarten. Geduckt hetzte sie über die Straße. Sie wurde von keinem Scheinwerferlicht erfasst, aber Mike musste noch warten, weil ihn zwei Wagen, aus unterschiedlichen Richtungen kommend, passierten.
Es war kein Fahrzeug der Bullen dabei. Wenn er an sie dachte, fielen ihm Sinclair und dessen Kollege Suko ein. Er hasste sie, aber er wusste auch, dass er sie auf keinen Fall unterschätzen durfte. Sie waren brandgefährlich, das hatte er schon als Mensch allein durch seinen sicheren Instinkt gespürt.
Mona wartete voller Ungeduld. Sie atmete nicht ein, aber sie stieß so etwas wie einen Atem aus, und dieses Geräusch war von einem leisen Röcheln begleitet.
»Schließ auf!«
Mike sagte nichts. Er tat seiner Schwester den Gefallen, die als Erste in das dunkle Haus huschte. Mike folgte ihr schnell. Er sah Mona am Ende des Flurs stehen, wo er nach rechts abzweigte und zu den Toiletten führte. Aus diesen Räumen hörten sie Stimmen, und Mona war bereits drauf und dran, hinzulaufen.
Ihr Bruder erkannte die Gefahr. Bevor sie etwas unternehmen konnte, war er bei ihr, packte zu und zerrte sie zurück.
»Lass es sein!«
Sie schüttelte den Kopf. »Aber ich…«
»Du wirst dein Blut bekommen. Es bleibt auch bei unserem Plan. Hast du verstanden?«
»Ja, ja, das habe ich.«
»Reiß dich zusammen!«
Die Geschwister blieben keinen Augenblick länger stehen. Diesmal übernahm Mike die Führung. Sie bewegten sich auf die schwere Eisentür zu, die die beiden Bereiche voneinander trennte.
Mike zog sie auf.
Er hörte Vanessas Musik. Er lächelte. Er war glücklich. Er war zufrieden. Sie war also doch nicht nach Hause gelaufen, sondern hatte sich in ihrer zweiten Heimat den Platz gesucht und spielte nun auf ihrer Geige.
Bevor ein anderer Gast den Saal verließ, waren sie in die Disco geschlüpft.
Es empfing sie die Umgebung, auf die sie gewartet hatten. Der dünne Nebel trieb durch den großen Raum und verschluckte einen Teil der gespielten Melodien.
Sie sahen bekannte Gesichter in ihrer Nähe. Sie wurden ebenfalls gesehen. Man winkte ihnen zu. Man sprach sie an.
Sie lächelten, und Mike sorgte dafür, dass er seine Hand um die seiner Schwester geschlossen hielt. Er wollte nicht, dass sie allein loszog und damit etwas in Bewegung brachte, das noch ruhen sollte.
»Wir holen uns Vanessa«, flüsterte Mike. »So
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