1316 - Vampirhölle
war es abgemacht, und so wird es bleiben.«
»Ja, ja, schon gut.«
Sie zitterte. Sie steckte voller Blutgier, was Mike gut verstehen konnte, weil es ihm ebenso ergangen war.
Vanessa saß auf ihrem Platz. Sie spielte. Ihre Melodien brachten die Gäste dazu, langsam und schwermütig zu tanzen.
Mike nickte. »Okay, wir holen sie uns…«
***
Vanessa wusste, dass es auch nach einigen Minuten nicht besser mit ihrem Spiel geworden war. Es lag einfach an ihrer Konzentration, aber dafür konnte sie nichts. Die innere Unausgeglichenheit war viel stärker. Während sie den Bogen bewegte, musste sie immerfort an andere Dinge denken. Das Bild in der Kapelle wollte ihr nicht aus dem Sinn, und sie dachte auch an die beiden Männer von Scotland Yard. Es wäre möglicherweise besser gewesen, noch nicht zu spielen und in ihrer Nähe zu bleiben.
Obwohl die Körper der Tanzenden sie umringten, gaben sie ihr keinen Schutz. Sie fühlte sich bloßgestellt und hatte das Gefühl, völlig allein zu sitzen. So frei und zugleich wie auf dem berühmten Präsentierteller. Manchmal überfiel sie auch ein leichter Schwindel.
Dann hatte sie das Gefühl, sich auf ihrem Stuhl zusammen mit ihm zu drehen, um irgendwann weggetragen zu werden.
Dennoch spielte Vanessa weiter. Sie hatte sich vorgenommen, es so lange zu tun, bis die beiden Polizisten zurückgekehrt waren.
Lange konnte es nicht dauern, denn dort unten gab es niemanden.
Wirklich nicht?
Als ihr der Gedanke kam, erschrak sie und produzierte eine Disharmonie auf ihrem Instrument, wie sie es nie zuvor erlebt hatte.
Da jaulte die Geige auf, als hätte sie einen Schrei abgegeben, und für einen Moment stockte ihr Spiel.
Bevor die Tanzenden es merkten, hatte sie sich wieder gefangen und spielte weiter. Aber die Gedanken blieben. Eigentlich hätte der Keller leer sein müssen.
Eigentlich…
So genau wusste Vanessa das nicht. Sie war nicht in der Kapelle geblieben, und das würden die Geschwister auch nicht tun. Sie suchten andere Orte auf, an denen sie sich satt trinken konnten.
Wenn sie kein Risiko eingehen wollten, dann mussten es bekannte Plätze sein. Das Stigmata mit seinem Keller stand dabei an erster Stelle.
Noch war dies alles graue Theorie, und sie wünschte sich, dass es auch so blieb.
Die Grufties tanzten. Junge Menschen in den abenteuerlichsten Verkleidungen huschten an ihr vorbei. Die meisten waren nicht zu hören. Sie tanzten so leicht wie Federn und wirkten trotzdem so unendlich traurig. Manche Tränen waren echt. Wenn sie aus den Augen rannen, verschmierten sie die Schminke in den Gesichtern.
Immer wieder mal schaute sie hin. Aber sie brauchte keine Furcht zu haben. Die Gesichter waren ihr durchweg bekannt, auch wenn Frisuren oder Schminke wieder anders gesetzt waren.
Bis in alle Ewigkeit wollte sie auch nicht spielen. Vanessa war an diesem Abend nicht in Form. Ihre Glieder wurden immer schwerer.
Ein paar Mal wäre ihr die Geige schon beinahe weggesackt. Sie riss sich immer wieder zusammen.
Ein Stück wollte sie noch spielen und dann erst mal eine längere Pause einlegen.
Wieder erschienen Gesichter.
Sie nahm sie wahr, doch jetzt war alles anders. Vanessa konnte es kaum glauben. Die Geige sackte nach unten, der Bogen ebenfalls, aber ihre Augen versagten nicht.
Vor ihr standen Mike und Mona!
***
Es wurde sehr still in der Gruftie-Disco. Das lag nicht am Erscheinen des Geschwisterpaars. Die Künstlerin hatte aufgehört zu spielen und die meisten Gäste so in einen fast luftleeren Raum gestellt. Sie mussten erst mit der neuen Situation fertig werden und überlegen, was zu tun war.
Das interessierte Vanessa nicht. Sie hatte nur Augen für die Delanos, und sie flüsterte die Namen.
Mike hatte sie gehört. Er nickte.
Mona lächelte. Allerdings mit geschlossenen Lippen, sodass Vanessa nicht erkennen konnte, ob sie eine Blutsaugerin vor sich hatte oder nicht.
Rasend schnell schlug ihr Herz. Schweiß brach ihr aus. Die schlimmsten Befürchtungen hatten sich bewahrheitet, und das verdammte Grauen hatte ein endgültiges Gesicht bekommen.
Sie wusste nicht, was sie tun sollte, und deshalb tat sie gar nichts.
Trotzdem wurde sie das Gefühl nicht los, dass Mona und Mike genau Bescheid wussten. Eine Zeugin wie sie konnten sie nicht einfach laufen lassen. Da mussten sie etwas unternehmen, und zudem rann durch ihre Adern das frische Blut einer jungen Frau.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit seit der Entdeckung der beiden verstrichen war. Das war alles so relativ für sie
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